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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Michael Rand am Apparat. Er machte mir ein verblüffendes Angebot: «Kommen Sie nach London und fotografieren Sie für die ‹Sunday Times› Mick Jagger und seine Frau Bianca.»
      «Wer ist Mick Jagger?» fragte ich.
      «Sie kennen Mick Jagger nicht, den weltberühmten Rockstar?»
      Zögernd und unsicher geworden, sagte ich: «Nein.»
      «Das ist doch unmöglich, Sie müssen doch die ‹Rolling Stones› kennen?»
      «Davon habe ich schon gehört, aber ich glaube, daß ich für solche
      Aufnahmen ungeeignet bin.»
      Michael Rand ließ nicht locker. Er schilderte mir mit großem Eifer alle Vorteile, die es für mich bedeuten würde, wenn ich die Aufnahmen machte. Als er mir dann sagte, daß es auch ein Wunsch von Mick Jagger sei, willigte ich ein.
      Schon am Tag meiner Ankunft lernte ich den Chef der «Rolling Stones» kennen. «Sunday Times» hatte in «Browns Hotel» eine Zusammenkunft arrangiert. Ich muß gestehen, ich war außerordentlich überrascht. Ich hatte mir einen ganz anderen Typ vorgestellt, einen verschlafenen Hippie mit strubbligem Haar, versnobt und arrogant. Aber davon war keine Rede, er war intelligent und, wie mir schien, auch sensibel. Schon nach kurzer Zeit waren wir in ein Gespräch vertieft, das immer intensiver wurde. Wir sprachen über alles Mögliche, über Malerei, Theater und über Filme. Dabei erzählte er, er sei ein großer Fan von mir und kenne meine Filme.
    Einige, sagte er, habe er bis zu fünfzehnmal gesehen.
      Am nächsten Nachmittag machten wir die Aufnahmen. Auf dem bepflanzten Dach eines Londoner Warenhauses hatte ich die Motive gefunden. Inzwischen hatte man mir auch mitgeteilt, um was für Aufnahmen es sich handelte und warum ausgerechnet ich sie machen sollte: Mick und Bianca, in deren Ehe es kriselte, hatten sich geweigert, miteinander vor der Kamera zu posieren. Als ihr Manager darauf drang, stellten beide die Bedingung, wenn schon unbedingt Fotos, dann nur von Leni Riefenstahl. Ich war gespannt, wie ich mit den beiden Stars fertig werden würde, besonders mit Bianca, von der es hieß, sie sei sehr exzentrisch.
      Mick erschien als erster auf dem Dachgarten, und es war ganz problemlos, ihn zu fotografieren. Er war gelöst, heiter und aufgeschlossen. Sein Wesen war ungemein sympathisch. Bianca kam reichlich verspätet, begleitet von ihrem Coiffeur, ihrer Garderobiere mit einer kolossalen Menge Koffer und Hutschachteln. Sie wirkte stolz und unnahbar. Ich ahnte, daß es nicht einfach sein würde, das Foto eines sich verliebt anschauenden Ehepaars zu bekommen. Über Biancas Garderobe konnte ich nur staunen. Kostbare Kleider mit allen Accessoires hatte sie auf das Dach mitgebracht. Nachdem sie frisiert und geschminkt war, legte sie als erstes ein weißes Spitzenkleid an — und sah bezaubernd aus, wie eine Königin. Bianca mußte gespürt haben, daß Sie mir gefiel, denn bald schmolz ihre Unnahbarkeit, und es machte keine Mühe, die Aufnahme, die sich das «Sunday Times Magazine» wünschte, zu bekommen. Beim Abschied waren wir Freunde geworden.

    Film-Festival in Telluride

    B ill Pence, James Card vom Eastman House in Rochester und Tom Luddy vom Pacific Film Archive in Berkeley, Kalifornien, hatten mich als Ehrengast zu dem ersten in Telluride stattfindenden Festival eingeladen. Es sollte mit dem «Blauen Licht» eröffnet werden, meine anderen Filme sollten folgen. Das Festival war von den Veranstaltern als Alternative zu Cannes, Venedig und Berlin gedacht. Sicherlich eine ausgefallene Idee. Telluride, eine alte Goldgräberstadt in Colorado, in einer Höhe von 2800 Metern liegend und von hohen Bergen umgeben, zählte zu dieser Zeit nur
    tausend Einwohner.
      Das Zentrum des Festivals war das alte «Sheridan Opera House», das schon 1914 erbaut und von Bill Pence, der es gekauft hatte, mit sehr viel Geld restauriert worden ist. Der Innenraum des Theaters, ein kleines Juwel, bot ungefähr 250 Personen Platz und hatte, wenn es beleuchtet war, dank der in violett-goldenen Farben gehaltenen Ausstattung eine warme Atmosphäre. Hier sollten drei Filmkünstler für ihre Verdienste geehrt werden: Gloria Swanson aus den USA, die Königin der Stummfilmzeit, Francis Ford Coppola, der gerade mit seinem Film «Der Pate» und Marlon Brando in der Hauptrolle einen weltweiten Erfolg errungen hatte, und überraschenderweise auch eine deutsche Filmkünstlerin. Die Wahl war auf mich gefallen. Ich zweifelte nicht, daß dies Proteste und Kontroversen hervorrufen

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