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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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mich nicht bemerkt, da ich mich hinter einem Baumstamm versteckt hatte und mit langen Telelinsen fotografierte. Durch die von den Mädchen aufgewirbelten Staubwolken entdeckte ich Horst. Auch er versuchte, möglichst unbemerkt diese unwiederholbaren Bildimpressionen im Film festzuhalten. Leider konnten wir nur wenige Minuten filmen und fotografieren, denn schon wurde es dunkel. Für mich war dies das größte optische Erlebnis, das ich auf allen meinen Afrika-Expeditionen hatte.
      Zum Lagerplatz zurückgekehrt, erwartete uns eine neue, unglaublich klingende Nachricht: Der Omda, so wurde der Mak hier bei den Südost-Nuba genannt, teilte uns mit, morgen, um die Mittagsstunde, werde in Fungor ein «Zuar» stattfinden. Das waren die Kämpfe, von denen ich schon vor Jahren erfahren hatte, die mir im Traum erschienen waren und um derentwillen ich diese abenteuerliche Reise unternommen hatte. Es gab sie also doch noch, diese Rituale. Was für ein Zufall hatte mich hierhergeführt — oder war es so etwas wie ein sechster Sinn?
      Am nächsten Mittag fuhren wir mit dem Omda nach Fungor. Zuerst sah ich außer vielen Bäumen nur eine gewaltige Felswand, doch dann entdeckte ich im Schatten eines Baumes eine Gruppe junger Männer. Ohne Zweifel waren dies die Kämpfer, denn einige banden sich schwere Messingringe um das Handgelenk. Sie waren, ebenso wie die Mädchen, unbekleidet und ebenfalls bemalt, nicht nur am Körper, auch in den Gesichtern. Ein jeder sah anders aus — Farben, Schmuck und Ornamente waren völlig verschieden. Am ehesten gemeinsam waren ihnen die Frisuren. An den Schläfen waren die Haare keilförmig ausrasiert, die Kopfmitte war durch weiße Federn oder ins Haar gesteckte Erdnüsse betont. Diese Gruppe unter dem Baum waren die Kämpfer aus Nyaro. Nun stürmten die aus Fungor herein. Mit federgeschmückten Köpfen liefen sie zuerst hintereinander, dann in alle Himmelsrichtungen auseinanderströmend, blieben stehen, bogen ihre Oberkörper zurück und stießen durchdringende Schreie wie Raubvögel aus. Nun sprangen auch die Nyaro-Kämpfer auf, liefen ihren Widersachern entgegen und stießen ebenfalls bis ins Mark dringende Schreie aus. Sie bewegten sich elegant wie Raubkatzen. Kein weibliches Wesen war zu erblicken. Wie ich später erfuhr, galt dies als Regel für diese ritualen Kämpfe.
      Zu Anfang wurden nur Scheinkämpfe ausgetragen, dann erst begann der eigentliche Kampf. Es ging so schnell vor sich, daß ich den Vorgängen kaum folgen konnte. Zuerst schlugen sich die beiden Kämpfer mit Stöcken, ähnlich Degenfechtern bei uns, allerdings werden diese Schläge mit einer so unheimlichen Wucht ausgeführt, daß sie einen Schädel, eine Hand oder ein Bein zertrümmern könnten, wenn dieser Schlag nicht mit schnellster Reaktion und größter Geschicklichkeit abgefangen wurde. Dieser Kampf mit den Stöcken dauerte nur Sekunden — dann flogen die Stöcke in die Luft, und die beiden Gegner waren ineinander verkrallt. Jeder versuchte, durch seine Kampftechnik zu verhindern, von dem gefährlichen Schlag des scharfen Messingrings getroffen zu werden.
      Angefeuert von den Umstehenden, versuchte jeder der beiden, seinen Gegner kampfunfähig zu machen. Die Schiedsrichter bemühten sich, die Kämpfenden zu trennen, die, obgleich blutüberströmt, den Gegner nie losließen und solange weiterkämpften, bis einer von ihnen mit den Schultern den Boden berührte, oder bis es keinem gelang, den anderen zu Boden zu werfen, das von den Schiedsrichtern als unentschieden gewertet wurde.
      Vorsichtig wagte ich es, mich dem Kampfplatz zu nähern, und konnte meine ersten Aufnahmen machen. Ich hatte meine beiden Leicaflex-Kameras umgehängt und sie mit Motoren und Teleoptiken versehen. Nachdem ich einige Totalaufnahmen bekommen hatte, ging ich an die Kämpfenden heran, bis mitten ins Getümmel hinein. Hier wurde ich schnell verjagt. Nun versuchte ich es von der anderen Seite. Ich wußte, daß dies unwiederholbare Bilddokumente waren, und kämpfte darum um jede Aufnahme. Horst hatte mit seiner Filmkamera weniger Glück — er wurde unablässig von den Schiedsrichtern gehindert. Trotzdem gelangen auch ihm seltene Szenen.
      Nach Schluß der Kämpfe ging ich erschöpft, verschwitzt, völlig verstaubt, aber sehr glücklich zu unserem Wagen. Der Omda wollte uns vor der Rückfahrt noch etwas zeigen. Er deutete auf einen Baum, unter dem ein alter Mann saß, eine Trommel in den Händen. Mir wurde klar, daß sich hier noch

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