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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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unseren Durst zu stillen und unsere Glieder auszustrecken. Da näherte sich uns ein Hüne von einem Mann, bekleidet mit einem sauberen arabischen Gewand und dem kleinen Käppchen auf dem Kopf. Er begrüßte uns sehr freundlich auf arabisch. Mohamed, glücklich, mit jemandem sprechen zu können, redete lebhaft auf ihn ein. Nun wußten wir, wir hatten tatsächlich unser Ziel erreicht, wir befanden uns in Kau, und der fast zwei Meter große Hüne war der Mak (Häuptling) der hier lebenden Nuba.
      Nachdem der Mak sich von uns verabschiedet hatte, beschlossen wir, da zu sehr erschöpft, eine Nacht zu bleiben, um am nächsten Morgen zurückzufahren. Wir hatten Hunger, und so wurde erst einmal ein Tee gekocht, bald darauf reichte Mohamed jedem eine Schüssel mit Makkaroni und Tomatensauce. Gestärkt und erfrischt betrachtete ich nun die Landschaft. Es war merkwürdig und ungewöhnlich, daß, nachdem der Mak gegangen war und die Schulkinder verschwunden waren, sich niemand uns näherte. Wir waren ganz allein. Noch niemals hatte ich so etwas in Afrika erlebt. Auch in den entlegensten Gegenden, in denen ich Halt machte, waren nach kurzer Zeit Eingeborene erschienen, die mich neugierig betrachteten.
      Fern in den Felsen sah ich viele kleine Hütten. Das machte mich neugierig, und Horst war bereit, mich dorthin zu begleiten. Ich holte meine Leicas aus der Kiste. Natu, Alipo und Mohamed hatten sich im Baumschatten schlafengelegt. Es war Nachmittag, die Sonne stand schon schräg. Eine fast geisterhafte Ruhe umgab uns. Die Landschaft war schön, der Boden mit kleinen Stechpalmen bedeckt, deren kräftiges Grün sich malerisch gegen die gelben Farben des Strohs abhob.
      Bald standen wir vor den Hütten, die bis in die höchsten Felsplatten hinauf gebaut waren. Das Dorf schien ausgestorben. Wir kletterten über einige Felsblöcke hinauf und trafen auf zwei kleine, erschreckt davonlaufende Kinder. Wo Kinder sind, müssen auch die Erwachsenen sein, sagte ich mir, also kletterten wir weiter hinauf. Plötzlich sah ich etwas ganz Ungewöhnliches: Zwischen den Häusern, über die Steine hüpfend, liefen zwei junge, bildschöne Mädchen — unbekleidet, aber von Kopf bis Fuß eingeölt und mit leuchtend roter Farbe bemalt. Im gleichen Augenblick, als sie mich sahen, waren sie auch schon wie vom Erdboden verschluckt. Ich geriet in ungeheure Erregung. Das hatte ich noch nie gesehen. Hitze, Müdigkeit, Erschöpfung spürte ich plötzlich nicht mehr. Ich hatte nur den einen Wunsch, sie aufzunehmen Aber wieder war es geisterhaft still. Ich rief nach Horst, der weiter oben in den Felsen herumstieg. Er hatte die Mädchen nicht gesehen. Da deutete er mit der Hand nach oben. Über einer Felsbank schauten die Köpfe eines Mädchens und zweier Kinder hervor. Auch sie waren bemalt. Ihre Blicke waren scheu und mißtrauisch. Mir gelangen einige Aufnahmen, dann waren auch sie blitzschnell hinter den Felsen verschwunden.
      Ich war sehr glücklich, denn nun wußte ich, meine Reise war nicht vergebens. Da die Sonne sich neigte, wollten wir unsere Suche am nächsten Tag fortsetzen.
      An unserem Lagerplatz hatte sich der Mak wiedereingefunden. Mohamed hatte ihm Tee gekocht und unterhielt sich mit ihm. Natu und Alipo, die etwas arabisch konnten, bewährten sich jetzt als Dolmetscher. So erfuhr ich, daß es außer Kau noch zwei weitere Dörfer in der Nähe gab, Nyaro und Fungor. Der Mak war bereit, uns am nächsten Tag dorthin zu führen.
      «Bist du Araber oder Nuba?» fragte ich.
      «Ein Nuba», sagte er mit feinem, aber stolzem Lächeln. Da hörten wir aus der Nähe leises, dann aber stärker werdendes Trommeln. Der Mak erhob sich und sagte, in die Richtung dieser Töne weisend: «Nyertun» — ein Mädchentanz.
      Sofort griff ich nach meinen Kameras, und Horst holte seine Arriflex heraus. Vorsichtig schlich ich mich in die Nähe des Tanzplatzes, wo sich mir ein ungewöhnlicher und hinreißender Anblick bot. In den letzten Strahlen der untergehenden Sonne bewegten sich nach dem Rhythmus der Trommelschläge diese überschlanken Geschöpfe in tänzerischer Anmut. Auch sie waren völlig nackt, eingeölt und in verschiedenen Farbtönen geschminkt. Die Farbskala ging vom tiefen Rot über Ocker bis zu Gelb. In den Händen hielten sie biegsame Ruten oder aus Leder geflochtene Peitschen. Ihre Bewegungen waren aufreizend und wurden immer wilder, obgleich mit Ausnahme der beiden Trommler kein Mann in ihrer Nähe zu sehen war. Die Tanzenden hatten

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