Memoiren 1945 - 1987
würde. Sollte ich fernbleiben oder mich stellen? Für mich eine wichtige Entscheidung, der ich nicht ausweichen wollte. Diese Veranstaltung konnte der Prüfstein sein, ob es für mich nur noch ein endgültiges «Aus» gab oder vielleicht doch noch eine Chance, in meinem Beruf wieder tätig zu sein.
Der Jumbo, der mich nach New York brachte, kreiste eine halbe Stunde über der Stadt. Als wir endlich ausstiegen, goß es in Strömen. Die Maschine nach Denver startete von einem anderen Flughafen. Ich kannte mich in den endlosen Gängen des Kennedy-Airports nicht aus, zitterte, den Transfer zu verpassen, und rannte mir mit meinem schweren Handgepäck die Lungen aus dem Leib. Als ich erschöpft, aber gerade noch rechtzeitig zum Abflugschalter kam, war der Start wegen schwerer Gewitter um einige Stunden verschoben worden. Nach 14 Stunden kam ich ziemlich ramponiert in Denver an und stellte mit Schrecken fest, daß meine Koffer mit der Garderobe für die Festvorstellung beim Umladen in New York von den Regenfällen total aufgeweicht waren. Die Abendkleider waren verfärbt und unmöglich mehr zu tragen. Stella Pence, Bills junge Frau, tröstete mich, versprach mir Hilfe und nahm sich liebevoll meiner an. Von nun an wurde ich unwahrscheinlich verwöhnt.
In der «Manitou Lodge», wo man mich unterbrachte, wurde ich von Gloria Swanson, die meine Zimmernachbarin war, mit einer Umarmung begrüßt. Trotz ihres Alters sah sie blendend aus und verfügte noch über ein unglaubliches Temperament. Mit ihren grünen Katzenaugen sah sie mich prüfend an. Paul Kohner, einer der bekanntesten Filmagenten Hollywoods, den ich von unserem Grönlandfilm «SOS Eisberg» als Produktionsleiter in Erinnerung hatte — 42 Jahre lag das zurück —, hatte sie gebeten, dieses Festival wegen meiner Anwesenheit nicht zu besuchen. Auch Francis Ford Coppola und den anderen Künstlern hatte Paul Kohner von einem Besuch des Festivals abgeraten.
Aber so unglaublich es klingen mag, kein einziger Künstler hatte sich einschüchtern lassen, sie kamen alle, und noch viel mehr, als die Festspielleitung erwartet hatte.
In Telluride ging es wie in einem Bienenhaus zu. Der kleine Ort befand sich wie in einem Fieber. Es gab dort vorzügliche Restaurants, mit vielsterniger internationaler Küche. Dennoch fühlte ich mich nicht so recht wohl. Ich hatte erfahren, daß der amerikanische Jüdische Kongreß an die Veranstalter des Film-Festivals einen scharfen Protest geschickt hatte, in dem die Einladung an mich verurteilt und gleichzeitig Francis Coppola und Gloria Swanson aufgefordert wurden, ihre Teilnahme abzusagen. Es türmten sich gefährliche Wolken über diesem kleinen, romantisch gelegenen Ort auf. Ich war sofort bereit abzureisen, aber die Veranstalter ließen es nicht zu, selbst der jüdische Bürgermeister, Jerry Rosenfeld, bat mich zu bleiben. Er versicherte mir, alle Sicherheitsvorkehrungen seien getroffen, um Gewalttätigkeiten zu verhindern. Was sollte ich tun? Ich fühlte mich todunglücklich, war nervös und voller Unruhe.
Als «Das blaue Licht» im «Sheridan Opera House» über die Leinwand lief, war gerade Vollmond. Welch ein Zufall, denn in diesem Film sieht das Dörfchen «Santa Maria» ganz ähnlich aus wie Telluride, auch im «Blauen Licht» werden die Dächer wie an diesem Abend in Telluride vom Mondlicht erhellt. Um das Theater drängte sich eine Menschenmenge. Man führte mich durch einen Eingang an der Rückseite des Gebäudes hinein, und ich erfuhr, daß jeder Besucher durch Polizisten auf Waffen untersucht worden sei, etwas, was ich noch nie erlebt hatte. Man rechnete mit Demonstrationen. Nichts geschah. Zitternd saß ich in der Loge. Solange der Film lief, war es mucksmäuschenstill. Als er beendet war und das Theater sich wieder erhellte brach ungeheurer, nicht endenwollender Applaus aus. James Card, der Festival-Direktor, überreichte mir eine Silbermedaille. Al Miller, ein Sprecher des Komitees, sagte, der Film sei ein ewig dauerndes Testament einer vergangenen großen Filmkunst, und ein anderes Mitglied fügte begeistert hinzu, es gebe keine Droge, die stärker wirken könne als dieses Werk. Ein noch größerer Beifall wurde am nächsten Tag dem «Olympiafilm» zuteil. Da gab es stehende Ovationen.
Als Gloria Swanson am nächsten Tag von einem Reporter gefragt wurde, was sie von den Kontroversen halte, die meinetwegen die Gemüter bewegten, antwortete sie brüsk: «Warum — läßt sie eine Naziflagge
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