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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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etwas ereignen würde. Tatsächlich sah ich Mädchen kommen, gefärbt und eingeölt, wie gestern in Kau. Als der Trommler begann, kamen immer mehr Mädchen herbei, bogen sich in den Hüften, sie hielten Ruten und Peitschen in den Händen.
      Nun erschienen junge Männer, die gleichen, die ich vorher auf dem Kampfplatz gesehen hatte. Allerdings waren sie kaum wiederzuerkennen. Mit Federn und Perlen geschmückt, frisch eingeölt und mit originellen Mustern bemalt, schritten sie langsam an den tanzenden Mädchen vorbei, dieselben mit keinem Blick streifend. Sie setzten sich in der Nähe der Tanzenden auf Steine. Auffallend ihr ernster Gesichtsausdruck — keiner lächelte. Die Stöcke mit beiden Händen umfassend, hielten sie die Köpfe gesenkt und blickten zu Böden. Ihre einzige Bewegung war das Zittern ihrer Beine, an die kleine Glöckchen gebunden waren. Ab und zu stand einer dieser jungen Männer auf und ging mit tänzerischen Schritten um her, die, anders als die wilden Tanzbewegungen der Mädchen, wie in Zeitlupe wirkten. Dieser unglaubliche Gegensatz war faszinierend. Besonders erregend gestaltete sich diese Tanzpantomime noch dadurch, daß die Männer vor dem Trommler stehenblieben, ihre Körper nach rückwärts beugten, ihre Hand an den Mund legten und dann, wie schon vor den Kämpfen, diese raubvogelähnlichen Schreie ausstießen. Es sah so aus als zögen sie sich diese Schreie mit der Hand- und Armbewegung aus dem Körper heraus. In dem aufgewirbelten Staub und dem fahlgrünen Licht der Dämmerung erschien es mir wie ein unwirkliches Schauspiel.
      Plötzlich ein erregender Trommelwirbel, und ich sah, wie drei Mädchen ihr Bein hoben und es über die Köpfe der von ihnen auserwählten Männer schwangen, es für einen Augenblick auf deren Schulter legten und während dieser sehr intimen Zeremonie ihre Blicke auf den Boden richteten. Dann tanzten die Mädchen zu ihrer Gruppe zurück. Obgleich ich damals nicht die geringste Ahnung von der Bedeutung dieser kultischen Handlung hatte, wußte ich, daß dies nur ein ungewöhnliches Liebesritual der Mädchen sein konnte. Tatsächlich erfuhr ich später, daß bei den Südost-Nuba den Mädchen vorbehalten ist, auf diese Weise sich ihren Partner fürs Leben zu wählen.
      Am nächsten Morgen mußten wir Kau verlassen, es war unabänderlich. Der Omda wollte uns am letzten Tag noch das dritte Dorf, Nyaro, zeigen, vielleicht das schönste der drei Dörfer, größer als Fungor, aber kleiner als Kau. In diesen drei Dörfern lebten nicht mehr als ungefähr dreitausend Südost-Nuba.
      Als ich mich in Nyaro umsah, entdeckte ich im Schatten einer Hütte einen Jüngling sitzen. Eine solche Erscheinung hatte ich noch niemals gesehen. Sein Körper war phantastisch bemalt, wie ein Leopard, und sein Gesicht erinnerte mich an Picasso. Zu meiner Überraschung ließ er sich widerspruchslos fotografieren. Bald entdeckte ich, daß er nicht als einziger so ungewöhnlich bemalt war, von überall kamen junge Männer auf mich zu, mit Gesichtern wie stilisierte Masken. Das waren keine primitiven Malereien. Die Harmonie zwischen Farben und Formen verriet ein hohes Maß künstlerischer Begabung.
      Nicht alle ließen sich fotografieren. Ich spürte, daß es Zeit und Geduld erforderte, mit diesen Menschen in Verbindung zu kommen oder gar Freundschaft mit ihnen zu schließen. Was ich in diesen zwei Tagen gesehen hatte, war so überwältigend, daß ich beschloß,
alle meine anderen Aufgaben zurückzustellen, um sobald als nur möglich wiederzukommen.
      So nahm ich Abschied von einer fast irrealen Welt, die mich mit Sehnsüchten und neuen Träumen erfüllte.

    Das Rote Meer

    W ir hatten das Flugzeug in Khartum noch erreicht und saßen nun im «Red Sea Hotel», im Hafen von Port Sudan. Die Rückreise von Kau nach Tadoro war wie eine Fahrt durch die Hölle gewesen, in Worten nicht zu schildern. Die Bilddokumente, die ich davon besitze, geben stärker, als Worte es könnten, eine Vorstellung unseres damaligen Zustandes wieder. Wir fuhren um die Zeit und erreichten die Nuba-Berge mit dem letzten Tropfen Benzin. Dazu war der Wagen beschädigt, und Horst, der sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnte, mußte ihn notdürftig reparieren. Fast sah es so aus, als blieben wir in Tadoro hängen, doch im letzten Augenblick gelang es Mohamed, im Tausch gegen unser Tonbandgerät von einem arabischen Händler Benzin zu bekommen. Es reichte bis Semeih, und das war unsere

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