Memoiren 1945 - 1987
und erst am dritten Tag kam ich in Positano an. Den Wagen mußte ich oben stehenlassen, da die Häuser, terrassenförmig angeordnet, nur über steile Steintreppen erreichbar waren. In dem Haus, in dem ich Rizzoli antreffen sollte, wurde mir mit Bedauern eröffnet, Signor Rizzoli sei nach Ischia gefahren. Ich war so müde und fast schon abgestumpft, daß ich kaum noch Enttäuschung empfand — nur schlafen wollte ich. Die Freunde Rizzolis boten mir ein wunderschönes Zimmer an und luden mich ein zu bleiben, solange ich nur wollte. Nachdem ich wieder munter war und alle Winkel des romantischen Fischerorts besichtigt hatte, zog es mich nach Ischia. Ich wollte auf das Gespräch mit Herrn Rizzoli nicht verzichten. Es war nur eine Schiffsfahrt von zwei Stunden. Aber auch dort war der Filmkönig ausgeflogen. Er würde, sagte man, mehrere Tage mit seiner Yacht unterwegs sein.
Da gab ich es auf und kehrte nach Rom zurück. Hier erwartete mich ein Brief Cocteaus: «Jean Marais freut sich, Ihr ‹Roter Teufel› zu werden, er ist der einzige, den ich mir vorstellen kann. Ihr Film scheint mir von allen augenblicklichen Stoffen der allerwichtigste zu sein.» Für die kapriziöse Rolle der «Kay» empfahl er mir die damals noch sehr junge und erst am Beginn ihrer Weltkarriere stehende Brigitte Bardot. Ferner lag das Angebot einer italienischen Finanzgruppe vor, die bereit war, sich mit einem Drittel der Produktionskosten, damals 75-80 Millionen Lire, zu beteiligen. Und «Titanus» sowie die «Lux-Film» baten mich um neue Verhandlungen. Der Tag hätte 24 Stunden haben müssen.
Da wurde ich telegrafisch nach München zurückgerufen. Meine Mutter war lebensgefährlich erkrankt. Das ließ mich alles andere vergessen. Ein Leben ohne sie konnte ich mir nicht vorstellen. Sie lag in einer Münchner Klinik, und täglich war ich mehrere Stunden bei ihr. Sie war sehr tapfer. Ihre Hauptsorge war, was aus mir werden würde, wenn sie mich nicht mehr betreuen könnte.
Inzwischen war es Oktober geworden, und die Zeit verrann. Die Zusagen, die ich hatte, nicht nur die von Stars wie Jean Marais und de Sica, sondern vor allem die großzügigen Unterstützungen der Hoteliers in Deutschland, Österreich und Italien, die der Verkehrsämter in diesen Ländern, reizten die «Herzog-Film» so, daß sie ihre bisherige Verleihgarantie für Deutschland auf 800 000 DM erhöhte — für die damalige Zeit ein schwindelnd hoher Betrag. Zusammen mit der italienischen Beteiligung war die Finanzierung so gut wie gesichert.
Nun mußte die endgültige Entscheidung fallen. In Wien verhandelte ich über eine Refinanzierung der deutschen Verleihgarantie. Das Finale wurde aufregend. Anfangs lief alles sehr günstig. Die Anträge mußten in den Abteilungen verschiedener Ministerien geprüft werden. Die Österreicher waren von dem Filmthema begeistert, und so bemühte sich jeder, bürokratische Hemmnisse abzubauen. Die wichtigsten Unterredungen hatte ich mit dem Finanzminister, Dr. Kamitz, und dem Generaldirektor Dr. Joham von der Creditanstalt, dem entscheidenden Mann für die Übernahme der Refinanzierung, der sich wie der Finanzminister hundertprozentig für den Film engagierte. Vor der Unterzeichnung der Verträge wurde noch die Zustimmung des österreichischen Bundeskanzlers Raab eingeholt, nachdem der Außenminister, Dr. Leopold Figl, vor einem Jahr, während meines Wiener Aufenthalts, den Film persönlich befürwortet hatte.
Der Startschuß wurde gegeben, die Quartiere in Zürs und Lech bestellt, die Rennfahrer verständigt und die wichtigsten Mitarbeiter verpflichtet.
Weihnachten war gekommen, und wir gönnten uns nach diesen aufregenden Monaten einige Tage Entspannung. Da platzte die Bombe, keine Sprengbombe. Es war nur eine kleine Zeitungsnotiz, die die österreichische Regierung erschreckte und die «Die roten Teufel» sterben ließ. «Der Abend», die kommunistische Wiener Zeitung, veröffentlichte folgendes:
LENI RIEFENSTAHL UND DER STEUERZAHLER. FINANZ- UND HAN
DELSMINISTERIUM FINANZIEREN KOSTSPIELIGES FILMPROJEKT DER
DEUTSCHEN KÜNSTLERIN.
Obwohl nachweisbar unwahr, war es der Todesstoß für den Film.
Eine politische Lawine kam ins Rollen. Für die Oppositionspartei, die SPÖ, war dies ein Motiv, die regierende ÖVP anzugreifen. Linksorientierte Blätter brachten lange, unwahre Berichte, die die Situation immer mehr verschlimmerten. Die Angriffe gegen die Re
gierung wurden immer heftiger.
«Der Abend»
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