Memoiren 1945 - 1987
dirigieren. Grundsätzlich war er auch bereit, aber seinen Honorarwünschen konnten wir nicht gerecht werden. Nun dirigierte Herbert Windt, der Komponist des Films. Seine Arbeit mit den Wiener Symphonikern ließ uns allen Kummer vergessen.
Endlich «Tiefland»-Premiere
I m Februar 1954 erlebte «Tiefland» nach einer beispiellosen, zwanzigjährigen Odyssee in Stuttgart im «E. M.-Theater» seine Uraufführung. Der «Allianz-Verleih» hatte alles aufgeboten, um der Premiere festlichen Glanz zu verleihen.
Als sich der Saal verdunkelt hatte, setzte ich mich unerkannt auf einen Ecksitz, um als Zuschauerin zum ersten Mal meinen Film, losgelöst von allen Problemen seit seiner Entstehung, zu erleben. Während die ersten Aufnahmen vor meinen Augen abliefen, überfielen mich die Erinnerungen an die Leidensgeschichte dieses Films. Hatten sich die Opfer gelohnt? Würde er vor dem Publikum bestehen, und was würden die Kritiker sagen?
Je länger der Film lief, desto größer wurden meine Zweifel. Ich spürte, Thema und Stil waren von der Zeit längst überholt. Aber dann gab es Aufnahmen von großer Ausdruckskraft, schwarz-weiß Effekte von graphischer Qualität. Meine Gefühle schwankten. Die Bildgestaltung erschien mir eindrucksvoll, auch die Musik, die Köpfe der Sarnthaler Bauern und das Spiel von Pedro, einem Naturtalent. Aber wenn ich mich auf der Leinwand sah, empfand ich Beklemmung. Kein Zweifel, ich war eine Fehlbesetzung. Wie habe ich mich nur so irren können? Ich selbst hatte die Rolle nicht spielen wollen und mich daher um Brigitte Horney und Hilde Krahl bemüht, leider vergeblich. Trotzdem hätte ich dieser Rolle mehr Leben geben können, wenn mich nicht Krankheiten und Schicksalsschläge so gebeutelt hätten.
Würden Publikum und Presse das ebenso empfinden? Ich versuchte, meine kritischen Gefühle zu verdrängen. Als es hell wurde, überraschte mich der große Applaus. Wir mußten uns immer wieder auf der Bühne verbeugen. Die Herren der «Allianz-Film» waren zufrieden. Es schien ein Erfolg zu werden. Die Presse war unterschiedlich. Es gab gute und weniger gute Kritiken, die jedoch objektiv waren. Aber meine Gegner schlugen wieder zu. Durch gehässige Angriffe einiger Blätter wurde jede Erfolgsmöglichkeit zerstört, und die alten Lügen, die in der «Revue» erschienen waren, wurden trotz der dagegen ergangenen Gerichtsurteile wieder hervorgeholt. «Tieflandzigeuner aus dem KZ», «Die Todgeweihten von Auschwitz» oder «L. R. erlebt in Polen Judenmassaker deutscher Soldaten» — nichts verlogen genug, um zitiert zu werden. Wie schon beim zweiten «Blauen Licht» kündigten viele Theaterbesitzer ihre Termine, sie weigerten sich, den Film zu zeigen. Obgleich ich mir geschworen hatte, nie wieder einen Prozeß zu führen, konnte ich mich der Aufforderung meines Verleihs nicht widersetzen, diese Zeitungen zur Gegendarstellung zu zwingen oder sie zu verklagen. In allen Fällen erreichten meine Anwälte, daß Gegendarstellungen erschienen, aber wie immer in solchen Fällen, war der Schaden nicht mehr gutzumachen. Selbstverständlich war dadurch auch die Tournee für die Premiere in Österreich gefährdet. Telegrafisch wurde ich nach Wien gerufen. Die Herren des «International-Film-Verleihs», welche die Rechte für Österreich erworben hatten, befanden sich in einem Zustand größter Erregung. KZ-Verbände drohten den Theaterbesitzern, ihre Kinos in Brand zu setzen. Ich schlug Herrn Zöhrer, dem Inhaber der «International» vor, er oder sein Pressechef sollten die Herren der KZ-Verbände einladen, um ihnen meine Gerichtsakten vorzulegen. Mein Vorschlag wurde als indiskutabel abgelehnt. Nachdem keiner wußte, was zu tun sei, erklärte ich mich bereit, persönlich die KZ-Verbände um eine Unterredung zu bitten.
«Das können Sie nicht riskieren», sagte Herr Zöhrer erschrokken.
«Warum nicht?» fragte ich, «ich sehe keine andere Möglichkeit, oder wissen Sie eine bessere?»
Ich war entschlossen, diese Begegnung herbeizuführen, und ließ mir aus München sofort alle entlastenden Dokumente schicken, dazu auch meine Korrespondenz mit Manfred George.
Es kam zu einer stürmischen Auseinandersetzung mit den KZVerbänden in deren Büro. Vom Verleih wollte mich niemand beglei
ten, also ging ich allein. Beim Betreten des Raums wurde ich mit Schimpfworten empfangen — so laut und heftig, daß ich minutenlang nicht zu Wort kam. Meiner Schätzung nach befanden sich in dem Zimmer
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