Memoiren 1945 - 1987
reisen.
Ich wandte mich an Wilhelm Lukas Kristl, den Autor des vorzüglichen Spanienbuchs «Kampfstiere und Madonnen». Er wohnte in München, so daß wir fast jeden Abend zusammenkamen und bald ein interessantes Filmexposé entwerfen konnten. Gleichzeitig arbeitete ich mit Margarete Hohoff, einer jungen, erfolgreichen Theaterschriftstellerin, an einem Stoff, der für Anna Magnani vorgesehen war. Ein faszinierendes Thema, in dem sich wie in einer Facette das Antlitz Spaniens spiegelte. Arbeitstitel: «Drei Sterne auf dem Mantel der Madonna».
Auch Hermann Mostar schlug mir zwei gute Stoffe vor, einen, den er selbst geschrieben hatte — eine eindrucksvolle Studie gegen den Stierkampf, er nannte sie: «Der Stierkampf des Monsieur Chatalon», und ein dramatisches Thema: «Tanz mit dem Tod». Ich wollte aber nicht nur Filmstoffe mitnehmen, sondern auch eine Filmkamera. Dr. Arnold gab mir eine 16-mm-«Arriflex», eine herrliche Kamera. Allerdings konnte ich mir die Bedienung erst wenige Stunden vor unserer Abreise erklären lassen.
Mit Hanni, die ich auf diese Reise mitnahm, fuhr ich über den Arlberg nach Genf. Zwei Tage später erreichten wir über Biarritz Pamplona, gerade zur rechten Zeit, um unsere Kamera auszuprobieren: Am nächsten Tag begann die berühmte «Fiesta de San Fermin», die Hemingway so hinreißend beschrieben hat.
Pamplona war überfüllt. Viele schliefen im Freien. Da wurde ich von einem Spanier erkannt, der 1943, als wir für «Tiefland» die Aufnahmen mit den Stieren machten, für uns arbeitete. Er brachte uns in einem kleinen Hotel in einer der engen Gassen unter und bot sich uns als Führer für die «Fiesta» an.
Schon vor Sonnenaufgang saßen wir mit der Filmkamera auf einer alten Mauer in einer Gasse, durch die jeden Morgen die jungen Stiere in die Arena getrieben wurden. Wie von Sinnen liefen die jungen Männer neben und vor den Stieren her, Mädchen und Frauen schauten aus den Fenstern und schienen sich ebenfalls in einem Taumel wilder Begeisterung zu befinden. Die Burschen versuchten, die Stiere zu berühren, wurden von ihnen überrannt, was sie jedoch nur in einen noch größeren Taumel verfallen ließ. Für uns Nordländer war dies alles fremd und unbegreiflich. Trotzdem wurden auch wir bald von diesem Fieber angesteckt. Das war nicht eine «Show», das waren kultische Handlungen uralter Traditionen. Drei Tage filmten wir in Pamplona, dann trennten wir uns von dieser aufregenden Stadt. Schon längst wurden wir in Madrid erwartet.
Spanien erlebte ich wieder als ein faszinierendes Land, erfüllt von Spannungen und Lebensfreude, und diesmal ohne den Druck einer riskanten Produktion. Für einen Künstler eine fast zu erdrükkende Fülle von Impressionen und Erlebnissen. In Madrid wohnten wir in Günther Rahns großzügiger Wohnung in der schönen Calle Alfonso XII. Er hatte schon alle Bekannte und Freunde mobilisiert, vor allem Leute aus der Filmbranche, mit denen er mich zusammenbringen wollte.
Wir verlebten turbulente Tage im Wechsel von Vergnügungen und beruflicher Diskussionen. Die große Müdigkeit, die ich in München fast immer verspürte, verschwand, obgleich der Tag meist erst spät nach Mitternacht in einer der kleinen Bodegas endete. Dort tranken wir, vor einer Theke stehend, einen Schoppen Wein und aßen dazu die kleinen, frisch aus dem Meer geholten Gamberis. Die Schalen der Krebse warf man einfach auf den Fußboden.
In Madrid zog mich der «Prado» an. Fast jede freie Stunde verbrachte ich an diesem unbeschreiblichen Hort der Kunst. Mein Lieblingsbild war die «Infantin Margarita» von Velazquez, aber von vielen anderen Bildern war ich ebenso fasziniert, von den Rubens’, den Goyas, den Tizians, Tintorettos und den Bildern des El Greco.
Inzwischen ließ Rahn meine Filmexposés ins Spanische übersetzen. Meine euphorische Stimmung wurde etwas gedämpft, als ich feststellte, wieviel Zeit und Geduld man in Spanien haben muß. An beiden mangelte es mir. Um meine aufkommende Unruhe zu besänftigen, schlug mir mein Freund vor, mich in Mallorca auszuruhen und abzuwarten, bis alles übersetzt und von den Interessenten gelesen worden war. Die Hitze in Madrid wurde unerträglich, und wer nur konnte, fuhr ans Meer. So verließen auch wir die Stadt und gingen nach Mallorca, wo wir im Nordosten der Insel, in Formentor, noch gerade Unterkunft fanden. Der Präsident der spanischen Filmfirma «Cea», Señor Rodino, hatte mir einen Dokumentarfilm
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