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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Treppe hinab und trat lächelnd in den Salon, wo die anderen sie erwarteten. Ich machte mir über den Wert der Erzählung keine Illusionen; immerhin war es das erste Mal, dass ich mich daran begab, mein eigenes Leben in Worten auszudrücken; ich fand Vergnügen am Schreiben.
    Ich hatte Garric ein Briefchen geschickt, wie es eine Schülerin an ihren Lehrer schreibt; er antwortete mir mit einer kleinen Karte eines Professors an seine Schülerin; ich dachte nicht mehr viel an ihn. Durch sein Beispiel hatte er mich dazu angereizt, mich von meinem Milieu, von meiner Vergangenheit loszulösen: Zur Einsamkeit verdammt, hatte ich mich in seiner Nachfolge in den Heroismus gestürzt. Aber es war ein steiler Weg, und ich hätte sicherlich vorgezogen, das Verdammungsurteil würde wieder aufgehoben; die Freundschaft Jacques’ schien mir ein Recht auf Hoffnung zu geben. Im Heidekraut ruhend oder durch Hohlwege streifend, beschwor ich sein Bild herauf. Er hatte auf meinen Brief keine Antwort gegeben; aber mit der Zeit ließ meine Enttäuschung nach; Erinnerungen an sein Lächeln bei der Begrüßung, an unsere innige Harmonie, die weichen, guten Stunden, die ich bei ihm verbracht hatte, überdeckten sie ganz. Ich würde die Lampe anzünden, mich auf das rote Sofa setzen und dort zu Hause sein. Ich würde Jacques anschauen: Er würde mir gehören. Ohne jeden Zweifel liebte ich ihn: Weshalb auch sollte ich ihn nicht lieben? Ich begann Pläne des Glücks zu schmieden. Wenn ich so lange darauf verzichtet hatte, so deshalb, weil ich glaubte, er weise mich zurück; sobald es mir aber möglich schien, fing ich wieder an, das alte Verlangen nach ihm zu verspüren.
    Jacques war schön, von einer zugleich kindlichen und sinnlichen Schönheit; dennoch teilte mir sein Anblick nicht die geringste Verwirrung und keinen Schatten von irgendwelchen etwaigen Wünschen mit; vielleicht täuschte ich mich, als ich, selber etwas verwundert, in meinem Tagebuch notierte, es habe sich, wenn er jemals eine Bewegung der Zärtlichkeit angedeutet habe, in mir etwas verkrampft: Das würde bedeuten, dass ich mindestens in der Phantasie einen gewissen Abstand zu wahren gewillt war. Ich hatte Jacques immer als einen etwas fernen großen Bruder betrachtet; ob in feindseliger oder wohlwollender Haltung, immer war die Familie um uns her; zweifellos wendeten sich deshalb meine Gefühle für ihn gleichsam an einen Engel.
    Unserer engen Verwandtschaft hingegen verdankten sie den Charakter der Unlösbarkeit, den ich ihnen von Anfang an zugeschrieben hatte. Ich hatte Jo und ebenso Maggie leidenschaftlich vorgeworfen, sie hätten ihre Kindheit verraten: Indem ich Jacques liebte, meinte ich mein Geschick zu erfüllen. Ich bewegte mich in der Erinnerung an unsere einstige Verlobung und an das Glasfenster, das er mir zum Geschenk gemacht hatte; ich beglückwünschte mich, dass das Leben uns in unserer Jugend getrennt und mir damit die strahlende Freude des Wiederfindens beschieden hatte. Offenbar stand diese Idylle in den Sternen geschrieben.
    Wenn ich jedoch an ihre Schicksalhaftigkeit glaubte, so in Wirklichkeit deshalb, weil ich, ohne es mir selbst deutlich einzugestehen, in ihr die ideale Lösung für alle meine Schwierigkeiten sah. Obwohl ich die Routine des bürgerlichen Lebens verabscheute, war mir doch ein Gefühl der Sehnsucht an die Abende in dem roten und schwarzen Arbeitszimmer und an die Zeit geblieben, in der ich mir noch nicht vorstellen konnte, dass ich meine Eltern jemals verlassen würde. Das Haus Laiguillon – die schöne Wohnung mit dem dicken Moquettebelag, der helle Salon, die schattenverhängte Galerie – war für mich bereits wie ein Heim; ich würde an Jacques’ Seite sitzen und lesen und ‹wir beide› denken, wie ich früher ‹wir vier› vor mich hin flüsterte; seine Mutter, seine Schwester würden mich mit ihrer Liebe umgeben, meine Eltern zu größerer Milde neigen: Ich würde wieder ein von allen geliebtes Geschöpf sein und meinen Platz in jener Gesellschaft einnehmen, ohne deren hegenden Schutz ich nur Verbannung vor mir sah. Dennoch würde ich nichts aufgeben; bei Jacques würde das Glück niemals eine Art von beruhigtem Schlummer sein; unsere Tage würden einander wohl in ständiger Wiederkehr der Zärtlichkeit folgen, aber vom einen zum anderen würden wir uns stets strebend bemühen; wir würden uns Seite an Seite verirren, ohne uns zu verlieren, da die Unruhe, die in uns lebte, uns beide zusammenhielt; so aber würde ich mein Heil

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