Memoria
Tages bitten müssen, Ihren Männern den Befehl zum Schießen zu geben. Aber vorerst denke ich, wir müssen zwischen dem Handlungsbedarf und den Vorteilen der Zurückhaltung abwägen.» Er wandte sich an den Vermittler für Geiselnahmen. «Würden Sie für mich die Verbindung herstellen? Wir sollten noch einmal versuchen, ihn zu erreichen.»
Edwards wählte die Nummer und gab das Handgerät Villaverde, der mich heranwinkte.
«Wollen Sie das übernehmen?»
Ich nickte und nahm das Gerät entgegen. Etwa nach dem zwölften Rufzeichen nahm jemand ab. Edwards’ Gesicht erhellte sich erwartungsvoll, und der Techniker signalisierte mit einem Nicken, dass die Aufzeichnung lief.
«Ricky», sagte ich in die Stille hinein, «mein Name ist Reilly. Ich bin vom FBI .»
«Sind Sie auch einer von denen?»
Es war Torres. Er klang aufgewühlt, verzweifelt und völlig verängstigt.
«Was meinen Sie mit ‹denen›, Ricky?»
«Von diesen Dingern.»
«Was für Dinger? Ich bin vom FBI , Ricky. Sind bei Ihnen da drin alle okay?»
«Halten Sie mir nur diese Dinger vom Leib, Mann. Ich hab sie draußen vor dem Eingang gesehen. Die kriegen mich nicht, was immer sie versuchen, verstanden? Wenn einer von denen in meine Nähe kommt, puste ich ihm den verdammten Kopf weg.»
Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Er war offenbar auf einem schlechten Trip und hatte viel mehr Angst, als jemand haben sollte, der noch die Chance hatte, sich zu ergeben, bevor die Schießerei losging. Es war ziemlich klar, welchen Kurs ich einschlagen musste.
«Hören Sie mir zu, Ricky. Was immer das ist, wovor Sie Angst haben, wir können Sie schützen. Wir wollten auch Wook schützen, aber sie sind uns zuvorgekommen. Wir wissen, für wen Sie und der Rest der Eagles gearbeitet haben. Guru hat es uns erzählt. Sie müssen uns nur helfen, sie zu finden. Dann können wir sie einsperren, und Sie sind in Sicherheit.»
«Guru?», rief er. «Guru ist weg, Mann. Wie konnten Sie mit ihm reden? Sie lügen. Sie sind einer von denen, stimmt’s? Sie wollen, dass ich rauskomme, damit Sie mich mit Ihren Klauen zerfleischen können. Ihr könnt mich mal, Mann. Zum Teufel mit euch allen.» Damit legte er auf.
«Der Kerl ist völlig durchgeknallt», stellte Schibl fest.
Ich musste ihm recht geben. Und das bedeutete nichts Gutes für Torres. Immerhin hatten wir hier einen Sergeant eines Spezialeinsatzkommandos, der es nicht erwarten konnte, ihn mit seinen Bikerkumpels wiederzuvereinen.
Ich hingegen wollte ihn lebend, um ihn zum Reden zu bringen. Aber mir schien, diese Chance würde ich nicht bekommen.
Am westlichsten Ende des Parkplatzes, im Schutz einer Baumreihe, saßen Navarro und seine beiden überlebenden
pistoleros
in ihrem klimatisierten Toyota Land Cruiser. Nachdem sie Torres ausgesetzt hatten, waren sie hierhergekommen und hatten ihren Beobachtungsposten bezogen, während er gerade ins Innere der Mall verschwand.
Navarro hielt ein Fernglas auf den Bereich des Parkplatzes gerichtet, auf dem es jetzt von Polizisten wimmelte. Sein Mundwinkel verzog sich zu einem leichten Grinsen, als er sich ausmalte, welche Hölle Torres gerade durchmachte. Die Droge, ein graues Pulver, das er in Torres’ offene Wunde gerieben hatte, war eine besonders heimtückische Substanz. Er hatte sie in Vanuatu im Südpazifik kennengelernt, von einem ganzkörpertätowierten Schamanen, der der Schwarze Geier genannt wurde. Navarro hatte sie über die Jahre bei mehreren Gefangenen angewandt, und sie hatte ihn nie enttäuscht. Sie schürfte aus dem Unterbewusstsein des Opfers dessen tiefste Ängste und Paranoias, sodass sie ausbruchartig in gesteigerter, albtraumhaft unwirklicher Form zutage traten. Unter ihrem Einfluss verwandelte sich die gewöhnlichste Umgebung in den Stoff von West-Craven-Filmen. Unkontrolliert besaß sie die unheimliche Fähigkeit, die Seele in gänzlich unerwartete Formen der Selbstzerstörung zu stürzen, was Navarro immer wieder unterhaltsam fand. Dabei war ihm klar, dass er diese besondere Art des inneren Zusammenbruchs nie selbst erleben würde.
Er beobachtete, wie Reilly und Villaverde aus ihrem Wagen sprangen und sich ins Getümmel stürzten, und dieser Anblick enttäuschte ihn wiederum. Er hatte erwartet, dass sie getrennt eintreffen würden. Zwar hatte er mit dieser Komplikation gerechnet, aber er hatte dennoch gehofft, dass es anders verlaufen würde.
Trotzdem, er wusste, dass die Gelegenheit günstig war, um den Rest seines Plans umzusetzen. Die erste
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