Memoria
Sekunden später hatte er den Geländewagen erreicht, in dem die Agenten eingetroffen waren.
Und ehe ihn irgendjemand bemerkte, war er bereits auf dem Weg zurück. Ein kleines befriedigtes Grinsen spielte um seine Mundwinkel.
Von der anderen Seite des Geschäfts drangen auf einmal Schreie herüber. Der Lärm schnitt tief in seinen Kopf, während er rückwärtstaumelte und heftig mit seinen Pistolen fuchtelte.
«Stopp! Zurückbleiben! Bleibt mir vom Leib!»
Seine ausgedörrte Kehle brannte. Er hatte immer noch nichts getrunken. Eigentlich hatte er das tun wollen, sobald er das Geschäft betrat, aber dann hatte er es vergessen. Es schien, als könne er keinen Gedanken im Kopf behalten.
«Jemand soll mir Wasser bringen. Bitte.»
Niemand rührte sich. Warum hörten sie nicht auf ihn? Er verlangte doch wohl nicht zu viel. Er wollte nur etwas Hilfe. Wollte, dass der brennende Schmerz in seiner Schulter aufhörte. Dass das Hämmern in seinem Kopf aufhörte. Dass sein Mund sich nicht mehr anfühlte, als fülle er sich langsam mit Sand. Dass er aufhörte zu schwitzen, als sei er in Nasiriya. Er verstand nicht, warum niemand ihm half, und plötzlich stieg rasende Wut in ihm auf.
«Bringt mir Wasser. Sofort!» Er fuchtelte mit den Pistolen, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
Nach ein paar Sekunden kam ein älterer Mann auf ihn zu. Er musste wenigstens sechzig sein. Er hielt eine Flasche Wasser in der Hand.
«Bist du Soldat, mein Sohn?»
Der Mann klang freundlich. Als wolle er helfen.
«Ich war Soldat», erwiderte Torres. Er zitterte. «Jetzt nicht mehr.»
Der Mann kam ein paar Schritte näher und hielt ihm die Flasche entgegen wie ein Friedensangebot.
«Mein Bruder war bei der Army», sagte er zu Torres. «Er ist 1991 in Kuwait gefallen.» Er hielt die Wasserflasche dicht an Torres’ Hand. «Hier. Trink das. Du siehst aus, als ob du es nötig hast. Aber tu niemandem mehr etwas, Junge.»
Torres starrte mit glasigem Blick auf die Flasche. Nach einigem Zögern nahm er sie. Er schraubte den Deckel auf und hob die Flasche an den Mund, aber gerade als er trinken wollte, bemerkte er dicht über dem Boden der Flasche etwas Schwarzes, seltsam Geformtes. Er hielt die Flasche gegen das Licht und sah, dass sich in dem Wasser ein Knäuel schwarzer Schlangen wand. Sie sahen grotesk aus, mit hervortretenden Augen, die im Verhältnis zum Körper zu groß waren, und herausstehendem Rückgrat. Eine von ihnen schlug immer wieder gegen das Glas und zischte ihn an.
Sie wollten ihn vergiften. Sie taten alles, um die Kreaturen in seinen Körper zu bekommen, damit sie ihn von innen zerfleischten.
Er schleuderte die Flasche durch den Raum und richtete beide Pistolen auf den alten Mann, der trotzdem noch einen Schritt näher kam.
«Gib mir die Pistolen, mein Sohn», sagte der Mann ruhig. «Du musst mir die Pistolen geben, damit du die Hilfe bekommen kannst, die du brauchst.»
Er wusste, dass der Mann log, ihn überlisten wollte. Er wollte ihm die Pistolen abnehmen und ihn dann in irgendeinen dunklen Keller zerren, wo sie ihn aufschlitzen und sich an ihm weiden würden. Machten sie es nicht so? Er verstand das alles nicht mehr. In seinem Kopf ging alles durcheinander. War er wieder bei der Army, oder träumte er? Monster gab es in Wirklichkeit nicht. Das wusste er. Aber hier stand eins direkt vor ihm. Das war ganz sicher keine Einbildung. Er sah es klar und deutlich, die gelben Augen und die Reißzähne, den Geifer, der von der Unterlippe troff, die ausgestreckten Klauen.
Ihm wurde klar, dass er hier rausmusste, ehe sie ihn bei lebendigem Leib auffraßen. Es waren zu viele dieser Kreaturen, als dass er sie im Alleingang erledigen konnte, und er war hier mit ihnen eingeschlossen. Er musste weg. Den Spießrutenlauf wagen und entkommen. Wenn er hier mit den Kreaturen eingeschlossen blieb, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn verschlangen. Draußen hatte er wenigstens eine Chance. Und vielleicht würden sie nicht noch mehr von ihresgleichen opfern wollen. Das würde er gleich feststellen.
Er wich vor dem heimtückischen Monster zurück und ging auf eine kleine Gruppe der Kreaturen zu, die sich noch als Menschen tarnten. Er packte eine junge Frau am Hals und zerrte sie zum Haupteingang hinüber. Dabei zog er den Schlüsselbund aus der Tasche. Er schloss die Tür auf, hielt die Frau als Schutzschild vor sich, dann öffnete er eine der Türen eine Handbreit und spähte auf den Innenhof hinaus.
«Ich komme raus», rief
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