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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Weile gebraucht, um den Jungen zu beruhigen, aber irgendwie war es ihr gelungen, während ich mich auf dem Balkon aufhielt. Das Zimmer lag in der dritten Etage des niedrigen Hotels, mit Blick auf den Yachthafen und das Meer. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich Jogger und Fußgänger auf der Uferpromenade, die die an- und ablegenden Segelboote im Hafen beobachteten, während tief am Himmel Flugzeuge im langsamen Landeanflug dahinzogen. Alle Welt schien auf den Beinen zu sein, um den Ausklang eines herrlichen Tages am Meer zu genießen, sich lachend im sanften Schein der untergehenden Sonne zu amüsieren – und keiner von ihnen ahnte etwas von dem Horrorszenario, das an diesem Morgen über Michelles Leben hereingebrochen war.
    Die Schiebetür stand halb offen, aber solange der Fernseher lief, bestand kaum die Gefahr, dass Alex etwas von unserem Gespräch mitbekam. Dennoch sprachen wir mit gesenkter Stimme. Wie Michelle mir erklärte, besaßen Vierjährige die Fähigkeit, einen mit Dingen zu überraschen, die sie beiläufig aufgeschnappt hatten und dann wiedergaben, wenn man am wenigsten damit rechnete. Beide Pistolen, meine Browning Hi-Power und die Glock 22 mit Schalldämpfer, die Michelle bei dem Überfall einem der Männer abgenommen hatte, lagen auf dem wackeligen weißen Balkontisch, und daneben standen ein paar Coladosen aus der Minibar.
    Es fiel mir noch immer schwer zu begreifen, was vorgefallen war, aber jetzt hatte ich Gelegenheit, mit Michelles Hilfe die Lücken zu schließen. Diejenigen, die mich beschäftigten, ebenso wie diejenigen, die Michelle plagten. Ich fing mit der Frage an, von der ich wusste, dass sie Michelle am meisten quälte.
    «Er ist tot», teilte ich ihr mit. «Die ersten Cops am Tatort haben ihn an der Eingangstür gefunden. Es tut mir leid.»
    Michelle schloss die Augen und nickte stumm, während ihr ein paar Tränen über die Wangen liefen. Ich zog sie an mich und hielt sie einen Moment lang im Arm. Dabei fühlte ich, wie sie zitterte.
    «Hast du mit ihnen gesprochen?»
    «Ich habe bei unserer hiesigen Dienststelle angerufen und die Kollegen gebeten nachzuforschen.»
    Sie nickte wieder, immer noch an mich geschmiegt, aber sie sagte nichts. Wieder fühlte ich ihr Zittern.
    Ich ließ ihr einen Moment Zeit, ehe ich noch einmal sagte: «Es tut mir leid.»
    «Mhm.» Sie löste sich von mir und wischte sich die Augen, verloren in einer schmerzlichen Benommenheit. Dann wurde ihr Blick ein wenig schärfer. «Der Kerl, den ich abgestochen habe, war er noch dort?»
    «Nein. Nur jede Menge Blut. Sie müssen ihn mitgenommen haben. Wie schwer hast du ihn verletzt?»
    «Also wenn er nicht gerade irgendein Zirkusakrobat ist, der sich Schwerter durch den Hals stechen kann, nehme ich an, dass er tot war, noch ehe sie ihn zum Lieferwagen bringen konnten.» Sie seufzte niedergeschlagen. «Ich sagte doch, diese Typen wussten, was sie taten.»
    «Ich weiß.» Ich musterte sie einen langen Moment, dann brach ich das Schweigen. «Sag mal … Wie eng war die Beziehung zwischen dir und Tom?» Es war mir etwas peinlich, eine solche Frage zu stellen, und ich fühlte mich nicht gut, als ich mich bei dem Gedanken ertappte, wie eng wohl die Beziehung zwischen ihm und Alex gewesen war. Aber ich musste mir ein Bild davon machen, was geschehen war und warum.
    Michelle zuckte die Schultern. «Wir waren erst seit ein paar Monaten zusammen.» Sie schüttelte traurig den Kopf und blickte aufs Meer hinaus. «Er war ein feiner Kerl.»
    «Hat er bei dir gewohnt?»
    «Nein», antwortete Michelle. «Er hatte ein Haus drüben in Mission Hills. Aber er war meist übers Wochenende bei mir, wenn er nicht gerade seine Kinder bei sich hatte. Er war geschieden. Verdammt» – sie stieß einen tiefen Seufzer aus – «die Kinder. Oh Gott. Wer wird es ihnen beibringen?» Sie sah zu mir auf. «Ich muss mit ihnen sprechen.»
    «Nicht jetzt, Mish. Lass uns erst mehr Klarheit in die Sache bringen.»
    «Sie werden am Boden zerstört sein», sagte sie, und ihr stiegen erneut Tränen in die Augen. «Am Boden zerstört.»
    Wieder ließ ich ihr ein wenig Zeit, ehe ich fragte: «Was hat er beruflich gemacht?»
    «Er ist – war – Architekt. Mit einem netten, gut gehenden Büro. Er hat seine Arbeit geliebt.»
    Ich sah, wie schwer es ihr fiel, über ihn zu sprechen, erst recht in der Vergangenheitsform, aber ich musste gründlich sein. Doch Michelle kannte das Prozedere, und sie schüttelte verärgert den Kopf, während sie

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