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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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in die Augen, während wir spürten, was wir einmal gehabt hatten. Dann wandte Michelle sich ab und präsentierte mit der Geste einer Showmasterin ihren Sohn.
    «Und das ist Alex», sagte sie mit einer Mischung aus Stolz, Unbehagen und Schmerz auf dem Gesicht.
    Ich blickte wieder auf den Jungen hinunter, der mich unsicher anstarrte, und etwas in mir schlug um. Plötzlich wurde mir klar, dass der Ausdruck in Alex’ weit aufgerissenen Augen nicht bloß Unsicherheit war. Es war Angst. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um ihn zu begrüßen, aber Alex wich panisch zurück und versteckte sich hinter dem Bein seiner Mutter, umklammerte es und vergrub sein Gesicht daran.
    «Nein», wimmerte er.
    Michelle sah sich nach ihm um.
    «Alex, was hast du?»
    Der Junge schwieg, noch immer hinter ihrem Bein versteckt, ohne sein Gesicht davon zu lösen.
    Ich sah fragend Michelle an. Sie wandte sich um, ging in die Hocke und wollte Alex nach vorn schieben, aber er wehrte sich und schrie noch einmal: «Nein.»
    «Alex, hör auf mit dem Unsinn.» Ihre Stimme war ruhig, aber fest.
    «Nein, Mommy, nein», wimmerte der Junge.
    «Es ist schon okay, Mish», sagte ich.
    Michelle überhörte es. «Alex, hör auf damit», befahl sie noch einmal, jetzt energischer, wenn auch immer noch ruhig. «Das ist mein Freund Sean. Würdest du jetzt bitte aufhören, dich so albern zu benehmen, und ihm Hi sagen. Er ist hier, um uns zu helfen.»
    Der Junge sah noch einmal zu mir auf, dann versteckte er sich wieder hinter seiner Mutter und klammerte sich noch fester an sie. Er zitterte.
    «Es ist schon in Ordnung», sagte ich zu Michelle und hob beruhigend die Hände. «Er hat heute wirklich schon eine Menge durchgemacht.»
    Michelle betrachtete Alex kurz, dann drückte sie ihn an sich und nickte. «Ich weiß, aber … ich verstehe nicht, was in ihn gefahren ist. Normalerweise ist er sehr kontaktfreudig, und ich dachte, jetzt, wo du hier bist …» Sie verstummte, sichtlich verwirrt und enttäuscht.
    «Wenn man bedenkt, was ihr zwei heute durchgemacht habt … dann ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass er Fremden gegenüber misstrauisch ist.»
    «Wahrscheinlich», sagte sie und schüttelte den Kopf. «Es ist nur … Er hatte in letzter Zeit Albträume, und … na ja, das Ganze ist etwas kompliziert.» Sie blickte zu mir auf, und ich las in ihren Augen echten Schmerz. Wahrscheinlich setzte es ihr trotz allem, was sie an diesem Tag durchgemacht hatte, ziemlich zu, dass meine erste Begegnung mit Alex so verlief. «Himmel, es tut mir wirklich leid. Es hat nichts mit dir zu tun, das weißt du doch?»
    «Mach dir darum keine Sorgen.»
    Ich ließ mich auf ein Knie nieder, sodass ich Alex fast auf Augenhöhe ins Gesicht sehen konnte, und streckte die Hand aus. «Hi, Alex. Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenzulernen.»
    Nach einigem Zögern warf der Junge mir einen scheuen Blick zu, dann kniff er die Augen zu und zog sich wieder hinter seine Mutter zurück.
    Ich sah zu Michelle auf. Sie verfolgte die Szene angespannt und offenbar sehr besorgt. Sie warf mir einen verzweifelten und entschuldigenden Blick zu, und ich nickte ihr leicht zu. Wenigstens waren Alex und ich uns jetzt begegnet, wenn auch unter unglücklichen Umständen. Es war nur ein winziger erster Schritt, aber trotzdem für uns alle drei ein bedeutender. Sicher hatten wir noch einen langen und steinigen Weg vor uns, es gab so viel aufzuholen – und eine Menge schwerer Entscheidungen zu treffen.
    «Komm doch rein», sagte Michelle schließlich.
    Ich trat ins Zimmer und bemerkte, wie sie sich misstrauisch nach beiden Seiten auf dem Flur umsah, ehe sie die Tür hinter mir abschloss.

Kapitel 6
    Wir führten unser Gespräch auf dem Balkon, während Alex fernsah. Er war ein großer Fan von
Ben 10 ,
was, wie ich soeben gelernt hatte, eine ungeheuer beliebte Fernsehserie war. Alex besaß alles dazu: die kleinen Figuren von Ben und einer ganzen Schar seltsam aussehender Außerirdischer, die Turnschuhe, sogar ein großes, cool aussehendes Gerät an seinem Handgelenk, das – wie ich ebenfalls gerade erfahren hatte – Omnitrix hieß und das jeder echte
Ben- 10 -
Fan unbedingt haben musste. Dieses Gerät verlieh Ben die Fähigkeit, sich in einen der zehn Außerirdischen zu verwandeln. Diese Fähigkeit nutzte er, um seine Feinde zu besiegen. Ich war froh, dass er das Gerät besaß – nach allem, was er durchgemacht hatte, konnte Alex jede erdenkliche Superkraft brauchen.
    Michelle hatte eine

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