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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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schien. Er fragte sich, ob sie wohl ganz klar im Kopf war. Sie hatte so merkwürdig ausgesehen, als sie vor der Kirche aus dem Auto stieg. Den Mund halb offen und die Augen schielend. Der Großvater war gezwungen gewesen, sie ordentlich hinzustellen, wie es schien, damit sie nicht gleich umfiel – und sie gleichzeitig in Gang zu bringen, sonst wäre sie einfach stehen geblieben. »Wie geht es dir, liebe Mama?«, hatte Tante Kristina gefragt, und Oma hatte etwas in der Art geantwortet: »Er hat immer die meisten Osterbriefe von allen gemalt. Er hatte so niedliche Knie.« Wenn Kristoffer richtig gehört hatte.
    Nein, wahrscheinlich hatte die Großmutter ein wenig zu viel Beruhigungsmittel genommen, was ja zu verstehen war. Niedliche Knie?
    Er versuchte seine Gedanken so lange wie möglich bei Oma, dem Pfarrer und Benny Bjurling zu lassen – und bei Onkel Walter natürlich -, doch zum Schluss war das nicht mehr möglich. Henrik schlich sich durch das rechte Ohr in seinen Kopf, und nachdem er schließlich dort Fuß gefasst hatte, füllte er bald jeden Winkel aus. Genau wie immer.
    Hej, sagte Henrik. Da bin ich wieder in deinem Schädel.
    Ja, vielen Dank, das habe ich schon gemerkt, antwortete Kristoffer.
    Du hast doch hoffentlich nichts dagegen?
    Nein, nein, warum sollte ich?
    Schließlich bin ich dein Bruder.
    Ja, du bist mein Bruder.
    Und Brüder müssen zusammenhalten.
    Das stimmt, Henrik.
    Im Leben wie im Tode.
    Ich weiß, aber verrate mir eins, Henrik.
    Aber gern doch, mein Bruder.
    Bist du tot oder lebst du?
    Das ist eine gute Frage.
    Dann beantworte sie doch, ja?
    Eine gute Frage, aber auch eine schwierige Frage. Nicht leicht zu sagen.
    Du musst doch wissen, ob du lebendig bist oder tot?
    Den Anschein kann es haben. Aber was ist mit dir selbst, Kristoffer?
    Ist doch scheißegal, wie es mir geht. Aber wenn du in meinen Kopf eindringst und ich dir das erlaube, dann möchte ich zumindest wissen, was los ist.
    Was los ist?
    Ja, ob du lebst oder nicht.
    Ist mir schon klar, dass du dich das fragst. Aber es ist mir leider nicht möglich, auf deine Frage zu antworten.
    Wieso? Mama wird langsam wahnsinnig, Papa kann auch bald nicht mehr. Wenn sie zumindest wüssten, was los ist, dann, vielleicht …
    Ich verstehe ja deine Frage, unterbrach Henrik ihn, und es tut mir weh, dass es euch so geht. Aber wie ich schon versucht habe zu erklären, so liegt es unter den augenblicklichen Umständen nicht in meiner Macht …
    Augenblickliche Umstände? Kristoffers leichte Verärgerung ging in Wut über. Was ist das für ein Gerede, seit Ewigkeiten herrschen schon die gleichen Umstände! Und wenn du es wissen willst, dann befinde ich mich momentan auf dem absteigenden Ast. Und zwar reichlich. Meine Schulnoten sinken wie ein Stein im Brunnen, ich saufe jede Woche, und ich bin es wirklich leid, dass du mich die ganze Zeit okkupierst. Ich halte es nicht mehr länger aus …
    Tut mir leid, mein geliebter Bruder, aber ich habe nun einmal im Augenblick keinen anderen Ort, wo ich mich aufhalten könnte.
    Was?
    Ich weiß sonst nicht, wo ich hin kann, außer in deinen Schädel, erklärte Henrik geduldig und ein wenig traurig.
    Wieso denn?
    Henrik seufzte.
    Weil Mama mit Walter beschäftigt ist. Oma ist total durcheinander, da gibt es nicht einmal Platz für eine Briefmarke. Papa versucht im Mahlstrom den Kopf über Wasser zu behalten, du solltest wirklich auf ihn achten, Kristoffer, und Kristina hat geschlossen, wie üblich. Opa, ja, von Opa reden wir lieber nicht, der sitzt da und brabbelt irgendetwas auf Spanisch …
    Wieso hat Kristina geschlossen?
    Woher soll ich das denn wissen?
    Ich dachte, du wüsstest alles?
    ...
    Warte, verschwinde nicht … nein, du hast wohl recht, Papa sieht wirklich nicht aus wie sonst, was hast du gesagt, was macht er?
     
    Leif Grundt merkte nie, wenn er anfing zu weinen, aber es wurde ihm bewusst, als ihm die Tränen bereits eine Weile auf die gefalteten Hände tropften. Ungefähr zur gleichen Zeit spürte er, wie er langsam, aber sicher in eine bodenlose Verzweiflung hinuntergezogen wurde. Ja, genau so ein Gefühl war es – ein ihn anziehender, bodenloser Mahlstrom der Verzweiflung war es -, und zum ersten Mal seit acht Monaten gab er nach und gestand sich ein, dass sein Sohn tot war. Es war zwar das schwarze Schwagerschaf Walter, das da vorn in dem Eichenfurniersarg fast der billigsten Sorte lag, aber es hätte ebenso gut Henrik sein können. Sein Sohn war tot. Ebbas und sein erstgeborener Sohn, Kristoffers

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