Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
immer«, bestätigte Eva Backman. »Aber geh jetzt und rede mit dem Chef. Ich habe ihn heute Morgen schon gesehen.«
»Asunander? Und wie war er drauf?«
»Wirkte ziemlich finster. Ungewöhnlich finster.«
»Dann warte ich bis morgen«, entschied Gunnar Barbarotti. »Der Herr hat die Eile nicht erfunden.«
»Bist du vertraut mit dem Herrn?«, wunderte Eva Backman sich. »Das hätte ich nun nicht gedacht.«
»Nur ein wenig«, gab Inspektor Barbarotti zu. »Nur ein wenig.«
IV
November
32
K ristina stieg am Gullmarsplan aus, während der Zug weiter Richtung Farsta Strand fuhr. Sie stemmte sich gegen die Windböen, überquerte den menschenleeren Markt und ging durch den vollgepissten Fußgängertunnel zum Globen. Der Regen schlug ihr in frostigen Kaskaden entgegen, und sie fragte sich, warum sie nicht auf Jakob gehört, in der Östermalmshalle eingekauft und dann ein Taxi nach Hause nach Enskede genommen hatte.
Aber vielleicht sah sie ja gerade in diesen unwichtigen Ungehorsamkeiten ihre Widerstandsnester. Hier und nur hier. Warum nicht? Irgendwoher muss man den Sauerstoff zum Überleben holen.
Sie sollten Gäste haben. Zwei dänische Filmproduzenten mit ihren Frauen, genauer gesagt, einen schwedischen Fernsehboss ohne Begleitung und eine lesbische finnische Regisseurin. Es musste Essen gekocht werden, es sollte fürstlich getrunken werden. Es ging um ein gesamtnordisches Projekt. Blinis, falscher Kaviar und Schnaps. Rentier und Barolo. Karamellisierte Feigen und Chèvre und Kaffee und Calvados und der Teufel und seine Großmutter.
Sie war müde bis ins innerste Mark. Aber nun hatte sie sich einmal dazu entschlossen, in der Globenarkade einzukaufen. Wenn man schon gezwungen war, die junge, perfekte – und kleidsam schwangere – Hausfrau zu spielen, dann sollte man zumindest das Recht haben, darüber zu entscheiden, wo die Zutaten eingekauft wurden, oder? Die im Laufe des Nachmittags zubereitet und veredelt werden sollten, um dann im Laufe des Abends in die Schlünde der ausgehungerten Medienmogule und ihrer zugespachtelten Ehefrauen geworfen zu werden. In die des TV-Bosses und der finnischen Lesbe.
Simulierter Widerstand, sonst nichts. Es war erst elf Uhr am Vormittag. Noch reichlich Zeit, fünf, sechs Stunden, für die gourmetmäßigen Vorbereitungen. Jakob hatte sogar versprochen, Kelvin bei der Tagesmutter abzuholen, niemand sollte behaupten können, er würde seiner schwangeren Ehefrau nicht die entsprechende Aufmerksamkeit und Fürsorge zuteil werden lassen.
Sie ging durch McDonald’s in die Einkaufsarkade. Dort war es brechend voll, sie musste sich mit den Ellenbogen durchkämpfen, wollte aber nicht eine Sekunde länger als notwendig draußen im Eisregen bleiben. Sie spürte, dass sie sich hinsetzen und eine Weile ausruhen musste, bevor sie ans Einkaufen gehen konnte. Fand ein Espressocafé, zog sich die Regenjacke aus und bestellte einen Cappuccino. Ließ sich auf einem hohen Stuhl an einem winzigen Tisch mitten im Gewühl nieder. Letzte Woche hatte sich der Appetit auf Kaffee wieder eingestellt. Mitten im siebten Monat, es war genau wie beim letzten Mal.
Beim letzten Mal?, dachte sie, und während sie gedankenverloren mit dem traurigen Holzstab im Schaum rührte, versuchte sie sich daran zu erinnern, wie es war, als sie ihr erstes Kind erwartet hatte. Den schweigsamen und introvertierten Kelvin. Versuchte sich dieses Gefühl ungenauer Erwartung und naiven Optimismus’ ins Gedächtnis zu rufen, fand zumindest seine Tonart, aber es war sinnlos. Alles hatte sich so schrecklich verändert. Die Lebensbedingungen hatten sich so vollkommen in ihr Gegenteil verkehrt, dass sie sich ab und zu fragte, ob sie tatsächlich noch der gleiche Mensch war. War das das gleiche Gehirn, das diese Gedanken dachte, das genau in diesem Moment der Hand den Befehl gab, den Becher zu heben und von der viel zu heißen, geschäumten Milch zu kosten? Eine gute Frage, wie man so sagte. Sie hatte jetzt seit fast einem Jahr in einem ständigen Albtraum gelebt, und es gab keinerlei Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass er irgendwann aufhören könnte. Kein einziges Zeichen.
»Du siehst nicht glücklich aus«, hatte Marika in der Schwangerschaftsberatung gesagt. Dort hatte sie den Vormittag zugebracht. Zumindest eine halbe Stunde. Natürlich hätte sie zur Schwangerenberatung in Gamla Enskede gehen sollen, aber sie hatte sich an Marika gehalten, als sie Kelvin erwartete, und Marika arbeitete in der Artillerigatan. Jakob
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