Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
und als sich zeigte, dass das Arrangement sich auf ein ganzes Wochenende in Malmö erstreckte – privat im Hotel wohnend, nur er und Marianne -, da war ihm alles schon in einem deutlich sanfteren Licht erschienen.
»Natürlich fährst du hin, du alter Bock«, hatte Sara ihn ermahnt. »Du sollst dir auch mal was Schönes im Leben ansehen.«
Meine allerliebste Tochter, dachte Gunnar Barbarotti und gähnte glücklich. Wenn du nur wüsstest.
Die Zeremonie fand in der Sankt Petri Kirche statt, sowohl Braut als auch Bräutigam antworteten mit Ja, und anschließend gab es ein Essen im zugehörigen Festsaal, eine Minute Fußweg entfernt. (Und nur drei, vier zurück zum Hotel Baltzar, eine Tatsache, die Marianne nicht versäumt hatte zu betonen.)
Die Sitzung wurde lang. Man ging kurz nach sechs Uhr zu Tisch, und fünf Stunden später saß man immer noch dort. Gunnar Barbarotti hatte vierundzwanzig Reden und Darbietungen gezählt, und laut Toastmaster – einem fülligen Jüngling in hellblauem Smoking, der auch selbst das Wort ergriff – waren noch mindestens ein halbes Dutzend zu erwarten, bevor Tanz und Getränke auf der Tagesordnung standen.
Aber der Herr Inspektor Barbarotti litt keine Qualen, das musste man einräumen. Er war in einer lebhaften, uneitlen Ecke gelandet, wo munter getrunken und geplaudert wurde – und er hatte Marianne im Blickfeld und fast in Hörnähe diagonal auf der anderen Seite einer schönen Tischdekoration aus gelbem Laub, Heide und Vogelbeeren. Als Tischdame hatte er eine Cousine des Bräutigams, sie stammte aus einem kleinen Dorf auf Jütland und sprach ein merkwürdiges Dänisch, das auch nach sieben Glas Wein nicht leichter zu verstehen war. Zu seiner Linken saß eine Zahnärztin aus Uddevalla, eine Freundin der Braut und mit einer Gesangsstimme gesegnet, die ihm eine Gänsehaut versetzte, als sie ein eigens selbstkomponiertes Liebeslied für die beiden sang. A cappella, mit einem erotischen Anstrich, möglicherweise wurde seine Gänsehaut auch dadurch verstärkt, dass er während der gesamten Darbietung direkten Augenkontakt zu Marianne hatte.
Wie erwartet wurde viel über seinen Beruf geredet. Ein leibhaftiger Kommissar oder Inspektor war immer spannend, und das halt auch auf einem Hochzeitsfest. Als das Eis serviert wurde, waren die spektakulärsten Verbrechen in Schweden, vom Palme-Mord aufwärts, der Reihe nach oder auch kunterbunt gemischt abgehandelt worden. Catrin da Costa, Fadime Sindhari, Åmsele und Knutby. Tomas Quick. Ein immer stärker beschwipster EU-Sekretär neben Marianne behauptete mit immer kräftigerer Verve, je weiter der Abend fortschritt, dass er dem Hörby-Mörder während einer Radtour auf Österlen Mitte der Neunziger begegnet war. Und dass er weiß Gott nicht Olsson hieß. Die Frau an seiner Seite, offensichtlich kannten sie sich schon ein wenig, wurde sein Gerede mit der Zeit etwas leid, sie bat ihn, doch rauszugehen und in den nahegelegenen Kanal zu springen, um etwas nüchterner zu werden. Um den Ernst ihrer Aufforderung zu unterstreichen, es war gerade zwischen der fünfundzwanzigsten und der sechsundzwanzigsten Rede, trank sie seinen Dessertwein aus, der gerade erst serviert worden war – ein Ereignis, das große Fröhlichkeit unter den Umsitzenden auslöste.
Gunnar Barbarotti hatte den Namen dieser resoluten Dame nicht verstanden, sie trug ein hochgeschlossenes Kleid, war rothaarig und nur wenige Jahre jünger als er selbst, wie es schien, aber da entdeckte er, dass ihre Tischkarte zwischen ihnen auf der Festtafel lag, und er warf einen schnellen Blick darauf.
Annica Willnius.
Willnius? In seinem leicht vergifteten Kopf läutete eine Glocke.
Es brauchte zwei weitere Reden und ein weiteres Glas Wein, bevor die Verbindung geknüpft war.
Jakob Willnius. So hatte er geheißen, Kristina Hermanssons Ehemann. Es gab doch immer noch Synapsen, die funktionierten.
Aber es waren inzwischen … er war gezwungen nachzurechnen … gut zehn Monate vergangen, seit er mit ihm in dem schönen Haus in Gamla Enskede gesprochen hatte. Der Name Willnius konnte doch wohl kein Zufall sein? Nein, er erschien zu ungewöhnlich, sie mussten in irgendeiner Weise miteinander verwandt sein.
Und innerhalb weniger Sekunden, während er sich zurücklehnte und vorsichtig von dem süßen Wein kostete – und die Konzentration nicht auf die siebenundzwanzigste Rede des Abends richtete -, segelte ihm der ganze Fall durch den Kopf. Ober besser gesagt der halbe Fall. Walter
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