Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
aus, du musst dich wirklich ein bisschen zusammenreißen, Brüderchen.
Kristoffer Grundt seufzte und nahm einen letzten Zug. Warf die Kippe in den Regen hinaus, für dieses Jahr war Schluss mit Rasenmähen, sein Vater würde sie nicht finden. Er schloss das Fenster und kroch ins Bett.
Wasch dich und putz dir die Zähne!, fügte Henrik hinzu. Nur weil Linda Granberg nach Norwegen gezogen ist, musst du doch nicht wie ein Biber stinken?
Kristoffer seufzte noch einmal, strampelte die Decke weg und kam auf die Füße. Brüder, dachte er.
33
G unnar Barbarotti wachte auf und wusste nicht, wo er war.
Er spürte, dass eine warme Hand auf seinem Bauch lag. Nicht die eigene.
Die Hand. Es war eine Frauenhand. Während des Bruchteils einer Sekunde tauchten all die Frauen in seinem morgenmüden Unterbewusstsein auf, mit denen er im Laufe seines sechsundvierzigjährigen Lebens gemeinsam aufgewacht war. Der Film blieb bei der richtigen stehen.
Marianne.
Immerhin. Aber der Weg zu Marianne war auch nicht besonders weit. Abgesehen von seiner früheren Ehefrau hatte er höchstens mit einem Dutzend Frauen geschlafen. Mit der Hälfte von ihnen nur ein oder zwei Mal, mit fast allen vor mehr als zwanzig Jahren. In der Studienzeit in Lund.
Aber jetzt lag er hier neben Marianne. So, so. Sie schlief immer noch, holte leicht schnuppernd durch die Nase Luft, er betrachtete ihr Gesicht aus nur zwanzig Zentimetern Entfernung und fragte sich, wie um alles in der Welt so eine schöne Frau einem solchen Langweiler wie ihm hatte verfallen können.
Aber das war wohl ein Teil des weiblichen Mysteriums. Gott sei Dank.
Malmö. Er schaute sich vorsichtig im Zimmer um und stellte fest, dass er sich im Hotel Baltzar in Malmö befand. Ein großer Eckraum im vierten Stock. Seine Studentenjahre lagen tatsächlich nicht mehr als zehn Kilometer entfernt. So waren die Tatsachen, und nachdem er das registriert hatte, fiel der Rest der Puzzleteilchen schnell an seinen Platz.
Es war Morgen. Es war Samstag. Es war Mitte November. Sie waren gestern Abend angekommen, wollten bis Sonntag bleiben. Es ging um eine Hochzeit.
Nicht ihre eigene, das wäre ja nun wirklich noch zu früh gewesen. Es waren nicht einmal vier Monate vergangen, seit sie sich während dieser magischen Wochen auf Thasos kennen gelernt hatten, und Eile war das Letzte, was für sie beide geboten war. Ganz im Gegenteil, zuerst wollen wir einander wie leckere Bonbons kosten, hatte sie gesagt, und dann werden wir sehen. Gunnar Barbarotti hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, hatte höchstens ein wenig Mühe, sich selbst als ein leckeres Bonbon anzusehen, aber wie auch immer. Und es herrschte kein Zweifel daran, dass das Verlangen nach Süßigkeiten im Laufe des Herbsts kräftig zugenommen hatte. Sie hatten sich mindestens zehn Mal getroffen, er hatte Marianne Sara vorgestellt, und sie hatten bei zwei Gelegenheiten Mariannes Kinder getroffen – einen Jungen von vierzehn und ein Mädchen von zwölf. Es waren keine nennenswerten Reibungen entstanden. O, großer Gott, hatte er erst am vorigen Tag gedacht, ich habe zwar nicht um sie gebeten, aber ich bin fast gewillt, dir zehn Existenzpunkte zuzuerkennen dafür, dass du sie mir gesandt hast.
Der Herr hatte geantwortet, dass es soviel einfacher wäre, das eine oder andere Gute zu tun, wenn die Menschen genügend Verstand hätten, um das zu bitten, was sie wirklich benötigten – und Gunnar Barbarotti hatte sich mit dem Argument verteidigt, dass er davon ausgegangen sei, dass es in der Verantwortung des existierenden Gottes lag, die Menschen genau mit derartigem Verstand auszustatten.
Was das betraf, so bat der liebe Herrgott darum, später die Antwort darauf geben zu dürfen.
Aber jetzt war also eine Hochzeit angesagt. Mariannes Schwester Clara, achtundzwanzigjährige Art Directorin – Gunnar war sich nicht wirklich sicher, was das eigentlich bedeutete -, hatte endlich ihren Prinzen gefunden, einen dänischen Architekten namens Palle. Marianne selbst arbeitete als Hebamme, ein Beruf mit deutlich klarerem Inhalt. Sie war außerdem zwölf Jahre älter als ihre Schwester Braut (es gab nicht weniger als vier Schwestern und drei Brüder in der Familie, die meisten davon Halbgeschwister), und Gunnar Barbarotti hatte zuerst Panik empfunden bei dem Gedanken, auf eine jugendliche Hochzeitsfeier zu gehen und dort einhundertachtunddreißig Menschen zu treffen, von denen er nur einen einzigen kannte. Aber dankend abzulehnen erschien noch schlimmer,
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