Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
gefiel ihm sehr viel besser, das kaputt zu machen, was jemand gebaut hatte – aber meistens, fast die ganze Zeit, saß er nur da und starrte mit leerem Blick vor sich hin, während seine Finger sich mechanisch und ziellos umeinanderbewegten. Als brütete er etwas aus, wie ihr immer wieder in den Kopf kam, als gäbe es eine Art finsteres Geheimnis, das er in sich trug, aber nicht richtig zu fassen bekam. Fast wie sie selbst, kam ihr in den Sinn. So steht es um uns, um mich und meinen Sohn.
Und er schlief. Kelvin konnte vierzehn, fünfzehn Stunden am Tag schlafen, das war nicht normal.
Vielleicht hätte sie ihn trotzdem lieben können. Kelvin tut niemandem etwas zu Leide, und wenn nicht alles andere in Schutt und Asche gelegen hätte, hätte sie mit seinem ruhigen Wesen zufrieden sein können. Wenn es nur sie und ihn gegeben hätte.
Vielleicht.
Aber er beschäftigte sie nicht. Was sie am meisten an diesen dunklen Tagen Mitte November beschäftigte, das war die Möglichkeit, diesen Streifen von Euphorie wiederzufinden.
Die Möglichkeit, Jakob zu töten.
Zumindest sich zu trauen, daran zu glauben. Es sich als eine reelle Möglichkeit vorzustellen, solange es nur möglich war. Denn irgendwo auf dem Weg, an irgendeinem Punkt während der schweren Novembervormittage hatten die Gedanken eine Art Deutlichkeit erlangt. Eine Schärfe, die sie erkennen ließ, dass es möglich war. Zwar hatte sich der Streifen, der die Dunkelheit zerteilt hatte, wieder geschlossen, aber sie erinnerte sich noch an ihn. Und sie wusste, dass es genau dieser Schritt war, den sie tun musste. Früher oder später, wenn sie zurechtkommen wollte.
Töten.
Denn es gab kein Dokument, das hatte sie für sich entschieden. Jakob hatte nichts bei irgendeinem Notar oder sonst irgendwo hinterlassen. Wenn er starb, würde nichts ans Licht kommen und den Hintergrund der Tragödie um Henrik entlarven. Er würde nicht sich selbst als Mörder präsentieren, nicht einmal nach seinem Tod. Nicht einmal, um sich an ihr zu rächen.
Sie wusste nicht ganz genau, ob diese Überlegungen wirklich standhielten, aber sie hatte beschlossen, sich zunächst einmal daran zu halten. Wenn sie in der Lage sein sollte, sich in welche Richtung auch immer fortzubewegen, dann musste es so vor sich gehen.
Ihn töten.
Aber wie?
Und wann?
Und wie jeden Verdacht vermeiden? Verdacht gegen sie selbst und Verdacht dahingehend, dass Jakobs Tod etwas mit den Ereignissen in Kymlinge zu tun haben könnte? Wenn er starb und alles kam heraus, dann wäre die Schlacht ja trotz allem geschlagen.
Jakobs Tod war der einzige Weg, aber wie sollte sie ihn betreten, ohne einen Fehltritt zu begehen?
Tage und Nächte lang grübelte sie über diesem Problem, und als sie meinte, einer Lösung nicht einen Zentimeter näher zu kommen, öffnete sich – das redete sie sich zumindest ein – eine Möglichkeit.
Vielleicht war es auch nur Einbildung. Vielleicht hatte es nur etwas mit dem Abstand zu tun. Damit, Dinge von sich zu schieben und zu glauben, es wäre leichter, etwas anderes zu tun. Zu vergessen, dass man immer, wo immer man sich auch befand, sich selbst mit sich herumschleppen musste – die eigene Gegenwart und die eigene Unschlüssigkeit.
Thailand. Jakob war mit der Idee gekommen. Zwei Wochen im Dezember. Nur er und sie, Kelvin bei der Tagesmutter, das hatte schon früher geklappt, der Junge war ja keine Last, und die Tagesmutter brauchte das Geld.
Sie hatte weder ja noch nein gesagt, und am nächsten Tag hatte er die Reise gebucht, zwei Nächte in Bangkok, zwölf Nächte auf den Inseln vor Krabi. Es waren ein paar Jahre seit dem Tsunami vergangen, konnte doch ganz interessant sein zu sehen, was inzwischen schon wieder aufgebaut war, wie Jakob meinte. Er war seit zwölf Jahren nicht mehr in Thailand gewesen, Kristina hatte zwei Wochen in Phuket vorzuweisen, 1996, vielleicht auch 1997.
Jedenfalls Abflug am 5. Dezember, Rückkehr am 20., und bereits am selben Abend sah sie die Möglichkeit.
Schwedische Touristen waren schon früher in Thailand verschwunden. Nicht nur im Zusammenhang mit Flutwellenkatastrophen. Sie hatte darüber in den Zeitungen gelesen, und es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie sie weinend dasaß und einem ortsansässigen Polizisten mit höchst rudimentären Kenntnissen im Englischen erzählte, wie ihr Mann had gone missing. Dass sie ihn seit mehr als einem Tag nicht mehr gesehen hatte und fürchtete, es könnte ihm etwas zugestoßen sein.
Sah sehr deutlich vor
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