Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
arbeiten gemäß der Abmachung, nur du mäkelst daran herum und brauchst doppelt so lange für die Überarbeitung. Schreibst immer und immer wieder alles um. Du bist eingestellt worden, um Schund zu produzieren, also lerne zu tun, was du tun sollst, und liefere es dann ab! Die Welt wird dein Genie sowieso nie erkennen.
So könnte Ebbas Rede aussehen. Wenn sie über die Situation Bescheid wüsste.
Eine Minute später kam die obligatorische Blässe. Als sie sich auf Ebbas Barrikade stellte und die Lanze gegen sich selbst richtete. Es hält sich kein Genie unter deiner Stirn verborgen, Kristina Hermansson! Du besitzt nicht eine Unze an Originalität. Keine kreative Schöpfungskraft. Du bist nur eine unzufriedene junge Schnepfe voller Größenwahn. Und das bist du schon immer gewesen, die einzige qualitative Veränderung, die dein Leben auszeichnen wird, besteht darin, dass du später eine unzufriedene ältere Schnepfe sein wirst und dann eine alte Schnepfe.
Sie stand auf und trank Apfelsaft. Aß einen Brotknust mit Cheddarkäse. Stellte sich vor den Spiegel im Badezimmer und betrachtete ihren Körper. Es war derselbe alte, ganz normale Körper, er war einmal jünger gewesen, aber die Brüste waren durchschnittlich groß, der Bauch flach und die Hüften nicht zu breit. Keine Zellulitis. Sie sah aus wie eine Frau. Wäre sie ein Mann, würde sie wahrscheinlich zu schätzen wissen, was sie da sah.
Obwohl – mittlerweile hatte sie sich das Männchen für den Rest ihres Lebens gesichert, oder etwa nicht? Und er liebte am liebsten im Dunkeln. Wahrscheinlich, damit sie nicht seinen kleinen Rettungsring sah. Also war sie die Einzige, die ab und zu diesen bis jetzt so gut erhaltenen Körper betrachtete. 31 Jahre alt. Jakob war 43. Wenn sie für sich dieselbe Zwölf-Jahres-Spanne beanspruchen würde, bedeutete das, dass sie sich einen 19jährigen nehmen könnte. Ein kurzes Prickeln fuhr über die Innenseite ihrer Oberschenkel, aber mehr wurde daraus nicht. Noch nicht.
Lächerlich, dachte sie. Verdammte Scheiße, was sind wir Menschen doch für lächerliche Wesen. Warum müssen wir all die Zeit und Mühe verschwenden, um über uns selbst und unser angebliches Leben nachzudenken? Über unsere selbstherrliche Wanderung aufs Grab zu.
Ich sollte religiös werden, dieser Gedanke kam ihr als Nächstes. Sollte mich zumindest für irgendetwas interessieren. Wale oder afghanische Frauen oder andere bedrohte Tierarten. Für meinen Gatten und meinen Sohn? Das ist ja wohl das mindeste, was man erwarten kann.
Vielleicht auch für Walter, sie wusste, dass sie es sich nur schwer verzeihen könnte, wenn er sich tatsächlich das Leben nahm.
Aber Jakob?
Wie sollte sie es anstellen?
Er hatte ihr von Anfang an geschmeichelt. Ihr erklärt, dass ihr Manuskript unter den vierundzwanzig eingesandten Beiträgen weit herausragte, und ihre weibliche Eitelkeit ordentlich gekitzelt. Hatte sie umgehend eingestellt, sie war siebenundzwanzig Jahre alt gewesen, aber wie ein nach Beachtung gierender Teenager umgefallen.
Das war im Mai 2001 gewesen, im August hatten sie zum ersten Mal miteinander geschlafen, und ungefähr zehn Minuten, nachdem sie begonnen hatten, erzählte er ihr, dass er verheiratet sei und zwei fünfzehnjährige Zwillingstöchter habe.
Auch diese Art von Offenheit beeindruckte sie nur. Und als er sich tatsächlich nicht einmal ein halbes Jahr später scheiden ließ, wurde auch die finstere Prophezeiung ihrer Freundin Karen über den Haufen geworfen. (Die lassen sich nie scheiden! Wie zum Teufel kannst du nur so dumm sein, hast du in deinem Leben nie ein Psychologiebuch gelesen? Amöben wie die gehörten sterilisiert!)
Aber erst als sie selbst schwanger war und sie ihre Heirat planten, wurde ihr klar, dass Annica, die Mutter der Zwillinge, ihrem Mann damals schon zuvorgekommen war, was ihre intriganten Spiele betraf, und sich einen neuen Partner gesucht hatte. Nicht Jakob kam mit diesem Geständnis, es war Liza, eine dieser pantherartigen Töchter. (Du brauchst gar nicht zu glauben, dass du unsere Mutter in irgendeiner Weise aus dem Feld geworfen hast. Sie hat doch nur darauf gewartet, dass so eine wie du auftauchen würde!)
Jakobs frühere Familie war – unter der Führung eines neuen Alphamännchens – ungefähr zu der Zeit nach London gezogen, als Kelvin zur Welt kam, und die Erinnerung an sie schien zu verblassen wie alte Fotos, die zu starkem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Alles war eigentlich schon verdammt merkwürdig
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