Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
Millionen Zuschauer waren jedenfalls mehr als das, was Jakob Willnius mit seinen letzten sechs Produktionen erreicht hatte.
    Der neue »Letzten-Film« über einen Einsiedler auf den Färöern nicht eingerechnet. Da gab es nichts zu bejubeln, and the show must go on.
     
    Während ihres Erziehungsurlaubs war sie davon überzeugt gewesen, dass sie nicht wieder in die FABRIK zurückkehren würde, doch als es dann anstand, hatte sie keine andere Wahl gehabt. Noch ein Jahr, hatte sie gedacht, ich mache das noch ein Jahr lang.
    Das Jahr war am ersten November abgelaufen. Jetzt war es fast Weihnachten, und sie sog sich immer noch Ideen aus den Fingern und schrieb Drehbücher für die mögliche Fortsetzung einer arg gescholtenen Soap über einen Premierminister und eine Nation in der Krise. Plus einiges anderes von dem selben harmlosen Kaliber. Für den 20. Januar hatte sie zwei Wochen auf den Malediven gebucht, nun gut, hatte sie gedacht und einen Kompromiss geschlossen, bis dahin, dann reicht es. Im Februar muss etwas Neues her.
    »Du fährst zu schnell«, sagte Jakob. »Oder haben wir es etwa eilig?«
    Sie ging auf 100 hinunter. »Willst du halten und einen Kaffee trinken?«
    Er warf einen Blick auf Kelvin. »Ist es nicht besser, damit zu warten, bis unser Kronprinz aufwacht?«
    »Ja, gut. Woran denkst du?«
    Er zögerte eine Weile mit seiner Antwort. »An deine Familie, ja, ehrlich. Du könntest ein Skript über sie schreiben.«
    »Fahr zum …«
    »Nein, ich meine es ernst. Eine Art kritischer Dokusoap, davon gibt es einige in den USA, aber hier hat das noch keiner gemacht. Was in einer Familie passiert, wenn so etwas geschieht …«
    »Hör auf, Jakob. Wenn du die Sache auch nur noch mit einem Wort erwähnst, dann fahre ich gegen die erstbeste Felswand.«
    Er legte ihr für einen Moment die Hand auf den Arm und schien zu überlegen. »Entschuldige«, sagte er nach einer Weile. »Ich meine ja nur, dass es doch eine interessante Gruppe von Menschen ist … vielleicht sind sie sogar typisch.«
    »Typisch wofür?«, fragte sie.
    »Für unsere Zeit«, erklärte er. Sie wartete auf eine Ausführung, aber die kam nicht. Stattdessen blätterte er weiter im Aftonbladet. Eine interessante Gruppe von Menschen?, dachte sie. Ja, das konnte er leicht sagen. Als Einzelkind aus einer Oberschichtfamilie in Stocksund. Die Eltern waren an Krebs gestorben, verschiedener Art und an unterschiedlichen Stellen im Körper, aber innerhalb von nicht einmal zehn Monaten. Das war vor sieben Jahren gewesen. Jakobs noch lebender Stammbaum umfasste nur ihn selbst und die verblassenden Zwillinge in Hampstead. Sowie Kelvin. Ein alter Onkel lag in Gilleleje in Dänemark seit fast einem Jahrzehnt im Sterben und würde ein ansehnliches Erbe hinterlassen, wenn es dann soweit war. Doch, es gab einen Grund, sich zu fragen, was er wohl mit dem Wort typisch gemeint hatte. Und mit unsere Zeit.
    »Du hast recht«, sagte sie. »Wir bieten wahrscheinlich reichlich Unterhaltungswert, wenn man die Sache näher betrachtet.«
    Dieses Mal entschied er sich dafür, den Unterton zu beachten. »Aber es liegt dir doch an keinem von ihnen«, gab er kontra. »Ich verstehe nicht, warum du sie dann mir gegenüber so hartnäckig verteidigen musst. Ich finde das ein wenig kindisch.«
    »Es ist nicht immer einfach, die Körperteile zu amputieren, die man nicht mag«, erklärte sie geduldig. »Auch wenn Jesus von Nazareth behauptet, man solle das tun. Außerdem habe ich nie etwas gegen Walter gehabt … jedenfalls nicht bis zu dem besagten Zeitpunkt.«
    Wieder legte er eine Denkpause ein. Faltete die Zeitung zusammen und betrachtete sie von der Seite.
    »Du bist jetzt schon seit mehreren Tagen wütend auf mich. Kannst du mir nicht bitte schön endlich mitteilen, worum es eigentlich geht, und mir eine ehrliche Chance geben?«
    Doch bevor sie antworten konnte, wachte Kelvin mit einem Schluckauf und einem Schluchzen auf, und mehr wurde in dieser Angelegenheit nicht gesagt.

5
    D ie Fernsehsendung »Die Gefangenen auf Koh Fuk« war von zwei für das Projekt engagierten Kreativen in den besten Jahren ersonnen worden – Torsten »der Bengale« Lindmanner und Rickard Krantze -, und es war eine der auf Dokusoaps orientierten Filmproduktionsgesellschaften gewesen, die das Elend durchgezogen hatten. Die tragende Idee, wenn man einen derartigen Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt benutzen wollte, war offensichtlich, es bis auf die Spitze zu treiben. Während einer gewissen Anzahl von

Weitere Kostenlose Bücher