Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Herbstwochen wollte man eine Reihe erniedrigender Dokusoaps senden, die so offensichtlich niederträchtig waren, dass man gar nicht erst irgendeine Form von Anstand vorzutäuschen brauchte. Oder irgendwelche edleren Ziele, als die Menschen von ihrer unflätigsten, besoffensten und nacktesten Seite zu zeigen.
Der Ausgangspunkt war ganz einfach. Eine Insel. Zwei Gruppen – oder Mannschaften -, die eine männlich, die andere weiblich. Einer, oder vielleicht auch einige, würden verdammt viel Geld gewinnen. Zu Beginn, während der ersten zwei, drei Folgen, sollten die Teams getrennt gehalten werden, aber nur bis zu einem gewissen Grad, so dass der weltgewandte Fernsehzuschauer ahnen konnte, dass es hier und da zu Regelübertretungen kam. Worum es ging – was den ganzen teuflischen Schlamassel überhaupt ausmachte, wie Krantze sich bei der ersten und einzigen Pressekonferenz vor der Abreise im September ausdrückte – war, einen ganz besonderen Auftrag zu erfüllen, aber Art und Inhalt dieses Auftrags wurden sowohl vor den Teilnehmern als auch vor den Zuschauern zunächst geheimgehalten. Die fünf Frauen waren alle hübsch und zwischen 25 und 35 Jahre alt. Ihr gemeinsamer Nenner bestand darin, dass sie alleinstehend waren, heterosexuell und dass sie irgendwann in ihrem Leben einmal einen Schönheitswettbewerb gewonnen hatten. Mindestens die Santa Lucia auf Bezirks-oder Großstadtebene. Die Insel hieß Koh Fuk und lag eine gute Stunde mit dem Langrumpfboot von Thrang in Südthailand entfernt. Die erste Aufgabe der Frauen auf der Insel bestand darin, sich in den kommenden zehn Tagen eine so schöne und umfassende Sonnenbräune wie möglich anzueignen. Filmbilder ihrer intensiven Sonnenbäder in nackter Haut, mit Silikon und Tangas, wurden täglich ins Herrenlager überbracht, das fünf Singles im Alter zwischen 26 und 38 beherbergte. Diese Herren stimmten jeden Abend über die beste Bräunung ab und gaben bei weiteren sieben weiblichen Variablen ihre Punkte nach einem System ab, das von Lindmanner und Krantze in Zusammenarbeit mit einem Spezialisten einer größeren sogenannten Boulevardzeitung erarbeitet worden war. Tagsüber beschäftigten sich die Herren mit verschiedenen Sportübungen wie Seilklettern, Weitsprung, Handstand und Armdrücken, alles in der allereinfachsten Bekleidung ausgeführt: Sonnenbrille und buntes Penisfutteral. Anschließend konnten die Damen am Abend, in Gesellschaft des Sonnenuntergangs und einiger Gläser Champagner, ihre Punkte nach einem entsprechenden Variablensystem vergeben und die Aktionen der Herren kommentieren.
Das männliche Lager bestand aus – zumindest war es so geplant gewesen – einer Handvoll gefeierter, garantiert heterosexueller Sportkoryphäen. Die Teilnehmer, die letztendlich von der Produktionsleitung ausgewählt worden waren, hatten zwar eine etwas geringere Strahlkraft als die Schöpfer des Ganzen sich erhofft hatten, aber what the heck?, meinte Krantze auf der bereits erwähnten Pressekonferenz. Life is a meatball.
Die fünf waren: ein Eishockeyspieler mit sechzehn Länderkämpfen beim Verein Tre Kronor und einer halben Saison bei der Nationalmannschaft, ein Ringer mit einer Bronzemedaille bei der Europameisterschaft und zwei Goldmedaillen bei der Schwedischen Meisterschaft, ein Skiläufer mit vier Schwedischen Meisterschaften im Staffellauf und einem dritten Platz im Vasalauf, ein Ruderer, der im Olympischen Finale gewesen war und einen dritten Platz bei der EM vorzuweisen hatte, sowie Walter Hermansson, Hindernisläufer mit zwei vierten Plätzen in zwei aufeinanderfolgenden finnland-schwedischen Wettbewerben.
Letzterwähnter, Walter Hermansson, war zweifellos der am wenigsten Ruhmreiche der ganzen ziemlich ruhmlosen Truppe, und er bekam seinen Platz in letzter Minute als Ersatz für einen ziemlich berühmten Fußballspieler, der sich unglücklicherweise Ende September nur ein paar Wochen vor dem gemeinsamen Abflug nach Koh Fuk eine Freundin zugelegt und kalte Füße bekommen hatte.
Nach einer guten Woche (und zwar in Sendung Nummer 3) wurden die leicht bekleideten und schön gebräunten Männchen und Weibchen plangemäß bei einem Strandfest zusammengeführt, bei dem der Alkohol in dionysischen Ausmaßen floss, bei dem aber auch so einige neue Wettkämpfe stattfanden: Tauziehen, Schubkarre, Ringen und Bockspringen. Eine sowohl für die Teilnehmer als auch für die Fernsehzuschauer unbekannte Würze (jedoch nicht für die Reporter der Abendzeitung) lag darin,
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