Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
sollte. Jetzt nehmen wir einen Grog vor dem Kamin im Wohnzimmer.«
»Natürlich tun wir das«, stimmte seine Ehefrau zu. »Das passt gut, wir können uns ungefähr in einer Stunde zu Tisch setzen. Übrigens hat Els-Marie angerufen und gratuliert. Euch beiden natürlich.«
»Danke«, sagte Ebba.
»Danke«, sagte Karl-Erik.
Da es nicht als angemessen angesehen wurde, dass der junge Kristoffer Grog trank, wurde es auch nicht als angemessen angesehen, wenn Henrik es tat. Aus Gründen der Geschwistersolidarität. Die Brüder nutzten die Gelegenheit und zogen sich für eine halbe Stunde in ihr grüngestreiftes Zimmer zurück.
»Übrigens, da ist eine Sache«, sagte Henrik, nachdem er eine weitere SMS komponiert und abgeschickt hatte.
»Mhm?«, brummte Kristoffer desinteressiert von seinem Bett aus.
»Ich … ich brauche deine Hilfe.«
Was?, dachte Kristoffer. Meine Hilfe? Verdammt, jetzt fürchte ich, dass die Welt zusammenbricht. Harmageddon oder wie hieß das noch?
»Öh … ja natürlich«, sagte er.
»Na, nicht so richtig deine Hilfe«, sagte Henrik. »Eher dein Schweigen.«
»Jaha?«
Er spürte, wie plötzlich sein Herz in der Brust galoppierte, und er hoffte bei Gott, dass sein Bruder nichts davon merkte.
»Einfach eine Verabredung, dass du die Klappe hältst, okay?«
»Und worum geht es?«, fragte Kristoffer und tat, als müsste er gähnen.
Henrik lag einige Sekunden lang schweigend auf seinem Bett und schien mit sich selbst zu Rate zu gehen. Kristoffer begann lässig zu pfeifen.
»Ich will kommende Nacht ein paar Stunden raus.«
»Was?«
»Ich habe gesagt, ich will kommende Nacht ein paar Stunden raus.«
»Und warum?«
»Und ich möchte, dass du nichts davon erzählst.«
»Ich verstehe … aber warum willst du denn raus?«
Wieder zögerte Henrik.
»Ich denke nicht, dass du das wissen musst. Ich will nur nicht, dass Mama etwas davon erfährt … oder sonst jemand.«
Kristoffer pfiff noch einige Töne. Stairway to heaven, tatsächlich, so klang es. »Wenn ich schweigen soll, denke ich, dass ich das Recht habe zu wissen, was du vorhast.«
»Das geht dich gar nichts an.«
Kristoffer dachte nach.
»Kann schon sein, aber für den Fall, dass …«
Henrik setzte sich auf die Bettkante.
»Na gut«, sagte er. »Ich will einen alten Freund treffen.«
»Einen Freund? Hier in Kymlinge?«
»Ja. Was ist denn daran so merkwürdig? Sie sind vor ein paar Jahren hierhergezogen.«
Verdammt, du kannst vielleicht lügen, lieber Bruder, dachte Kristoffer. Und dazu bist du noch schlecht im Lügen. Was zum Teufel soll ich tun?
»Ist es ein Mädchen?«, fragte er. Das kam fast automatisch, ohne vorher nachzudenken, doch in dem Moment, als ihm die Worte aus dem Mund hüpften, begriff er, dass es genau die richtige Frage war. In Hinblick auf die Umstände. Alle Umstände. Es vergingen drei Sekunden.
»Ja«, nickte Henrik. »Es ist ein Mädchen.«
Kristoffer spürte, wie es vor Aufregung in ihm pochte, und er war gezwungen, ein weiteres Gähnen zu simulieren, um sich zu tarnen. Junge, dachte er, du lügst wie ein Kesselflicker. Heißt das Mädchen zufällig vielleicht Jens? Aber wie war es möglich, dass Jens sich in Kymlinge befand? Wohnte Jens nicht in …?
Nein, natürlich nicht, dachte Kristoffer. Es war schließlich Jenny, die in Karlskoga wohnte, und das Besondere an Jenny war ja, dass sie offensichtlich gar nicht existierte.
»Nun?«, fragte Henrik.
»Äh … ja, natürlich«, sagte Kristoffer. »Ich werde schweigen. Kein Wort kommt mir über die Lippen.«
»Gut«, sagte Henrik. »Ja, es ist noch nicht sicher, dass ich abhaue, aber für den Fall.«
»Für den Fall«, wiederholte Kristoffer. »Ich verstehe.«
Nicht, fügte er in Gedanken hinzu. Nicht so richtig.
Aber als er nachdachte, gab es ja nichts, was dagegen sprach, dass Jens sein Elternhaus irgendwo in der Nähe von Kymlinge haben könnte. Oder sogar im Ort selbst. Absolut nichts, auch wenn es etwas unwahrscheinlich erschien.
Nun gut, dachte Kristoffer, jedenfalls ist das zweifellos eine interessante Reise hierher. Besser, als ich erwartet habe, das muss ich zugeben.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte Karl-Erik verärgert. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Na, das ist ja wohl nicht so schwer zu verstehen«, erwiderte Rosemarie. Sie befanden sich in der Waschküche, wohin Rosemarie ihren Mann mit sanfter Gewalt geschoben hatte. »Walter ist immer noch nicht zurückgekommen.«
»Das habe ich auch bemerkt«,
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