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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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fragte Rosemarie.
    »Ich weiß nicht«, sagte Kristina. »Wie üblich, nehme ich an.«
    »Warum fragst du, wie er wirkte, Mama?«, wollte Ebba wissen.
    »Das ist in diesem Zusammenhang ja wohl eine natürliche Frage«, erklärte Rosemarie.
    »Klar«, stimmte Leif Grundt ihr zu. »Er hat bestimmt eine Frau getroffen, ganz einfach. Schließlich ist es ja wohl das, was er braucht.«
    »Leif«, sagte Ebba scharf. »Jetzt reicht es.«
    »Ja, ja«, sagte Leif. »Es ist ja nur eine Theorie. Was habt ihr anderen für Theorien?«
    »Ich glaube, es war noch später als halb eins«, erwähnte Kristoffer vorsichtig. »Ich bin zwanzig vor eins ins Bett gegangen, und da war er noch da. Ich habe ihm Gute Nacht gesagt.«
    »Okay«, sagte Karl-Erik. »Zehn Minuten früher oder später spielen ja wohl keine allzu große Rolle. Haben wir wirklich kein anderes Gesprächsthema?«
    »Das haben wir ganz gewiss, Karl-Erik«, fiel seine Hausfrau ihm ins Wort. »Aber es ist nun einmal so, dass es hier einige gibt, die sich ein wenig Sorgen wegen Walter machen. Auch wenn du keiner davon zu sein scheinst.«
    Karl-Erik trank seinen Kaffee aus und stand auf.
    »Ich muss mal zur Toilette«, erklärte er.
    »Shit happens«, sagte Leif Grundt.
     
    »Sei ehrlich, Kristina, was meinst du, wie hat er gewirkt? Ihr wart doch vorher draußen gewesen und habt vertraulich miteinander geredet. War er betrunken, als er aufgebrochen ist?«
    Kristina betrachtete das beunruhigte Gesicht ihrer Mutter und versuchte die Worte abzuwägen. Was sollte sie sagen? Hatte Walter sich auf irgendeine Art und Weise merkwürdig verhalten? Betrunken? Nun ja, natürlich war er nicht mehr nüchtern gewesen.
    Sie selbst auch nicht. Weiß Gott nicht. Aber um bei der Wahrheit zu bleiben, hatte sie auch auf nichts anderes abgezielt. Mein Gott, betrunken war sie wirklich gewesen, und ganz besonders, nachdem Walter gegangen war. Und heute hatte Henrik ihr mitgeteilt, dass er unbedingt vorhatte, sie im Hotel aufzusuchen. Wenn sie gedacht hätte, er würde nach einigem Nachdenken kneifen, dann hatte sie sich gründlich geirrt.
    »Ich komme zu dir heute Nacht, Kristina«, hatte er erklärt, nachdem es ihnen wie verabredet gelungen war, nach dem Spaziergang im Supermarkt hineinzuspringen. »Oder hast du deine Meinung geändert?«
    Sie hatte den Kopf geschüttelt. Nein, sie hatte ihre Meinung nicht geändert. Falls er sie nicht geändert hätte.
    Dann hatten sie den ganzen Abend kaum ein Wort miteinander gewechselt. Vermieden, einander anzusehen, was wohl nicht so merkwürdig war. Und während des sich ewig hinziehenden Essens hatte sie eine merkwürdige Erregung gespürt, die sie an etwas erinnerte … ja, die sie an die Zeit erinnerte, als sie eine hormonstrotzende Vierzehn-, Fünfzehnjährige und mal an dem einen, mal an dem andren pickligen Teenagerjungen interessiert gewesen war. Als Henrik sein Lied zum besten gab, hatte sie heftiges Herzklopfen verspürt.
    Und gleichzeitig: Wenn Ebba auch nur eine Ahnung davon gehabt hätte, was da zwischen ihrem Sohn und ihrer Schwester vor sich ging, hätte sie keine Sekunde gezögert, Kristina zu töten. Kristina war davon genauso fest überzeugt wie … wie ein winziges Tierchen es spürt, wenn es plötzlich Auge in Auge einer Löwin gegenübersteht, die ihre Nachkommen verteidigen will. Ja, das war gar kein so schlechtes Bild von der Situation.
    Aber Walter? Nein, sie hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, was Walter geplant haben könnte.
    »Sag was, Kristina«, ermahnte ihre Mutter sie. »Steh nicht nur rum und grüble.« Sie befanden sich im Arbeitszimmer, jede mit einem kleinen Glas Baileys in der Hand. Rosemarie hatte sie dorthin dirigiert, und Kristina war klar, dass ihre Mutter sich einbildete, sie hätte irgendeine Art von geheimer Information zu bieten.
    »Es tut mir leid, Mama«, sagte sie. »Aber ich weiß es wirklich nicht. Natürlich ging es Walter nicht so gut, aber wenn du glaubst, er wäre fortgegangen, um sich umzubringen, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass du dich irrst.«
    »Ich habe nie gesagt, dass …«, setzte Rosemarie an, unterbrach sich jedoch selbst, indem sie mit dem Fuß aufstampfte. Starrte anschließend verwundert ihren Fuß an und schien wieder kurz vorm Weinen zu sein.
    Kristina stand noch eine Weile schweigend da und betrachtete ihre Mutter. Sie tat ihr plötzlich schrecklich leid, und der unerwartete Impuls, sie zu umarmen, überfiel sie. Aber sie kam nicht einmal dazu, ihr die Hand auf den Arm zu

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