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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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vorzubereiten, und Walter, der sich immer noch nicht hatte blicken lassen.
    »Das ist ja wohl typisch, dass er sich nicht einmal hier anpassen kann«, sagte Ebba zu ihrer Schwester, als ihr Vater mit der Geschichte und den vielen Runden um das Schuhmachermuseum herum fertig war und Anstalten machte, in dem Schneetreiben weiter die Linnégatan hinaufzugehen.
    »Wieso typisch?«, wollte Kristina wissen. »Er hat doch wohl seine Freiheiten genau wie alle anderen?«
    »Freiheiten?«, wiederholte Ebba und breitete die Arme aus, als könne sie sich nicht so recht erinnern, was das für ein merkwürdiger Begriff war. »Wovon um alles in der Welt redest du?«
    »Ich meine nur, dass wir ihn nicht verurteilen sollten, solange wir nicht wissen, welche Gründe er hat«, sagte Kristina.
    »Ich würde nicht im Traum daran denken, jemanden zu verurteilen«, erklärte Ebba. »Da tust du mir aber unrecht, Kristina.«
    »Dann entschuldige«, sagte Kristina und wischte den Rotz unter der Nase ihres Sohns mit einem Papiertaschentuch ab. »Es ist nur so einfach, Walter zu kritisieren.«
    »Hmf«, schnaubte Ebba und schob den Arm unter den ihres Mannes.
     
    »Nun, Jungs«, wandte sich Karl-Erik, die Pädagogikfichte, an die Brüder Grundt, »könnt ihr mir sagen, warum diese Jahreszahl hier über dem Tor eingraviert ist?«
    »Achtzehnhundertachtundvierzig?«, las Henrik nachdenklich und blieb stehen. »Das Kommunistische Manifest. Obwohl, ich habe nicht gewusst, dass es in Kymlinge geschrieben wurde.«
    »Haha«, dröhnte Karl-Erik, dem es trotz des geschäftigen Tages gelungen war, ein kurzes Nickerchen zu halten, und der jetzt in besserer Form zu sein schien. »Sehr gut, mein Junge. Nein, Marx und Engels setzten, soweit bekannt, ihre Füße nie nach Kymlinge. Aber vielleicht kann deine Mutter das Rätsel lösen?«
    »Der Stadtbrand«, antwortete Ebba prompt. »Ganz Kymlinge ist in dem Jahr abgebrannt. Seinerzeit gab es fast nur Holzgebäude, und das hier war das einzige Haus, das heil davongekommen ist. Das Lehrberger Haus also. Es heißt außerdem, dass in der betreffenden Nacht ein Mädchen allein zu Hause war und dass ihre Frömmigkeit und ihre Gebete sowohl sie als auch das Haus gerettet haben.«
    »Exakt«, sagte Karl-Erik. »Und nach dieser Zeit, also nach 1848, wurde die moderne Stadt gebaut. Das Kymlinge, wie wir es kennen. Ein neues Straßennetz statt jenes aus der Zeit des Mittelalters. Zwei neue Märkte, den Södra torg und den Norra torg. Das Rathaus, wie gesagt … die Kaufhalle und …«
    »Mein Gott, was für ein Schneefall«, sagte Leif Grundt. »Nur gut, dass wir Wintersohlen haben. Ist der Whisky gestern wirklich ausgetrunken worden?«
    »Leif, ich bitte dich«, sagte Ebba und ließ seinen Arm los.
    »Es scheint so, ja«, stellte Karl-Erik mit leicht bekümmerter Miene fest. »Ja, man muss sich wirklich fragen, wo Walter abgeblieben ist.«
    Als ob ihm plötzlich in den Sinn gekommen wäre, dass diese beiden Tatsachen etwas miteinander zu tun haben könnten, dachte Kristina, und zum ersten Mal spürte sie einen Stich von Besorgnis um ihren Bruder. Es war schon nach halb fünf, er hatte sich den ganzen Tag noch nicht blicken lassen, das war schon etwas merkwürdig, oder? Selbst für Walter.
    Aber vielleicht saß er auch daheim in der warmen Küche in der Allvädersgatan und zechte mit seiner Mutter und Ester Brälldin.
    »Jetzt machen wir noch einen kurzen Abstecher zur Kirche, und ich denke, dann ist es an der Zeit, nach Hause zu gehen und zu schlemmen«, erklärte Karl-Erik, schob die Ohrenklappen seiner Fellmütze aus den frühen Sechzigern herunter und übernahm die Führung der bibbernden Schar.
     
    »Puh, was für ein Wetter«, rief Rosemarie Wunderlich Hermansson eine Dreiviertelstunde später, als alle ins Haus stapften. »Sind alle wohlbehalten zurück? Nein, wo sind denn …?«
    »Kristina und Henrik sind noch in den Supermarkt, um irgendwas einzukaufen«, erklärte Ebba. »Ist Walter aufgetaucht?«
    »Nein«, sagte Rosemarie, während sie half, den schlafenden Kelvin aus dem Tragegurt am Bauch seines Vaters herauszuschälen. »Ich begreife wirklich nicht, wo er abgeblieben ist. Aber ihr müsst ja ganz durchgefroren sein. War es wirklich nötig, sie bei diesem schlechten Wetter überall hin mitzuschleppen, Karl-Erik?«
    »Quatsch«, sagte Karl-Erik. »Schließlich bin ich der Älteste in der ganzen Versammlung. Wenn ich keinen Schaden davongetragen habe, dann verstehe ich nicht, warum es jemand anders haben

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