Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
sagte Karl-Erik. »Aber es verhält sich nun einmal so, dass der Tisch gedeckt ist, und nach allem, was Ester sagt, ist die Vorspeise fertig, und alle sitzen da und warten. Bist du der Meinung, wir sollen uns alles von diesem verfluchten Bengel kaputt machen lassen …?«
»Er ist dein Sohn«, unterbrach Rosemarie ihn. »Denk daran, was du sagst, Karl-Erik.«
»Pah«, wehrte Karl-Erik ab. »Ich habe jedes Wort überdacht, das ich in den letzten fünfzig Jahren von mir gegeben habe. Jetzt reicht es mir langsam. Geht das in deinen Schädel hinein?«
Was um alles in der Welt ist nur mit ihm los?, konnte Rosemarie gerade noch denken, bevor die Walter-Wolke sie erneut einhüllte und ihre Sinne trübte.
»Beruhige dich«, sagte sie. »Ich habe da noch etwas entdeckt.«
»Na, so was. Und was hast du bitte schön noch entdeckt? Es ist fast halb sieben, wir können nicht länger warten. Ich bin nicht der Einzige, der langsam die Geduld verliert.«
»Ich habe entdeckt«, berichtete Rosemarie mit erzwungener Ruhe, »dass er gar nicht in seinem Bett geschlafen hat.«
»Blödsinn. Natürlich hat er das. Wo hätte er denn sonst schlafen sollen? Und sein Auto steht schließlich draußen.«
»Ich weiß, dass sein Auto vor der Tür steht«, sagte Rosemarie und trat einen Schritt näher an ihren Mann, so dass sie nur noch mit zwanzig Zentimeter Abstand zu seinem Gesicht sprach. Das war ungewöhnlich, aber es gab keine bessere Möglichkeit, herauszubekommen, wie viele Grogs er schon gekippt hatte.
»Jetzt hör mir zu, was ich zu sagen habe, Karl-Erik«, sagte sie. »Walter hat nicht in seinem Bett geschlafen. Ich habe einen seiner alten Pyjamas und ein Handtuch unters Kopfkissen gelegt, und die liegen immer noch genauso gefaltet dort, wie ich sie hingepackt habe. Walter muss bereits letzte Nacht weggegangen sein. Er ist überhaupt nicht schlafen gegangen.«
Karl-Erik zeigte Anzeichen von Nervosität über dem Auge, aber sie konnte nur einen gemäßigten Grogduft aus seinem Mund registrieren. »Hast du mit … mit Kristina und den anderen schon darüber geredet?«, fragte er. »Ich glaube, er hat noch mit denen zusammengesessen … wer immer es auch war... die noch aufgeblieben sind, nachdem wir ins Bett gegangen sind.«
»Ich habe es noch niemandem gegenüber erwähnt«, erklärte Rosemarie und trat wieder einen Schritt zurück. »Ich habe es ja erst vor fünf Minuten entdeckt.«
Karl-Erik spannte den Brustkorb an und schaute verkniffen.
»Wir müssen natürlich die anderen fragen. Vielleicht hat er ja etwas gesagt … und du meinst also, er ist gestern spätabends noch weggegangen?«
»Was glaubst du selbst denn?«, erwiderte Rosemarie. »Jedenfalls ist es nicht besonders lustig, sich so zu Tisch zu begeben.«
»Sein Handy!«, fiel Karl-Erik ein. »Wir rufen ihn einfach auf seinem Handy an.«
»Habe ich bereits getan«, sagte Rosemarie resigniert. »Sechs oder sieben Mal im Laufe des Nachmittags. Es scheint ausgeschaltet zu sein, es meldet sich immer nur der Anrufbeantworter.«
Karl-Erik seufzte. »Seine Tasche? Er hatte doch wohl gestern eine Tasche dabei?«
»Steht noch oben im Zimmer«, sagte Rosemarie. »Karl-Erik …?«
»Ja?«
»Karl-Erik, es kann doch nicht sein, dass ihm etwas passiert ist?«
Karl-Erik Hermansson räusperte sich übertrieben laut, versuchte gleichzeitig zu lachen und den Kopf zu schütteln. Es klang und sah aus wie ein kranker Hund. »Blödsinn. Was sollte Walter denn hier in Kymlinge passieren? Jetzt gehen wir zu Tisch. Er wird schon noch auftauchen, und wenn er es nicht tut, beraten wir uns nach dem Essen mit den anderen. Es gibt schließlich im Augenblick wichtigere Dinge, auf die wir Rücksicht zu nehmen haben, da musst du mir doch zustimmen, Rosemarie, oder?«
»In Ordnung«, nickte Rosemarie ernst. »So müssen wir es wohl machen.«
In der Tür zu der wartenden Tafel blieb Karl-Erik noch für einen Moment stehen, als würde ihm plötzlich klar, wie es eigentlich um die Dinge stand und er das noch einmal unterstreichen wollte. »Eins musst du wissen, Rosemarie«, sagte er. »Momentan bin ich Walter verdammt leid. Wenn sich herausstellen sollte, dass er wieder nach Australien abgehauen ist, dann wäre niemand dafür dankbarer als ich.«
»Das ist mir schon klar, Karl-Erik«, antwortete Rosemarie und ging in die Küche, um Ester Brälldin mitzuteilen, dass es jetzt an der Zeit sei, die Blinis mit Frühlingszwiebeln, gedämpftem Spargel und zwei Sorten Steinbeißerrogen zu
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