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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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legen, da stand Jakob bereits in der Tür.
    »Kristina?«
    »Ja?«
    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Sie wusste Bescheid. Er hatte den ganzen Abend dagesessen und Selters getrunken, und jetzt war er kurz vorm Platzen. Was sehr deutlich zu erkennen war für denjenigen, der die Zeichen deuten konnte. Er sehnte sich danach, von hier wegzukommen. Sehnte sich danach, seine Frau und seinen Sohn im Hotel abzusetzen und sich in einsamer Majestät ins Auto zu setzen. Auf nachtleeren Straßen nach Stockholm zurückzufahren, Dexter Gordon im CD-Player. Das war etwas anderes als die Situation hier, und Kristina konnte ihn sogar verstehen.
    Und dieser kurz aufblitzende Moment von Zärtlichkeit für ihre Mutter verblasste und erstarb.
    »Ja, gut, Jakob«, sagte sie. »Ja, dann ist es wohl an der Zeit.«
    »Ihr wollt doch nicht schon los?«, rief Rosemarie aus. »Wir haben ja noch gar nicht …«
    Aber sie fand keine Worte, die fiktiven Notwendigkeiten zu beschreiben, die noch ausstanden. »Ich mache mir nur solche Sorgen um Walter«, sagte sie stattdessen.
    »Dafür gibt es sicher eine ganz natürliche Erklärung«, sagte Jakob. »Er wird jeden Moment hier auftauchen.«
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte Rosemarie und schaute ihren Schwiegersohn treuherzig an. Als ob Jakob Willnius, kraft der Tatsache, dass er Bewohner der Hauptstadt war und außerdem eine Chefposition bei Sveriges Television innehatte, auch hellseherische Fähigkeiten besäße, um sagen zu können, was mit verlorenen Söhnen geschehen war, die sich in einer Winternacht draußen in den Provinzorten verirrt hatten.
    »Aber sicher«, bestätigte er. »Vielleicht ist ihm der Druck einfach zu groß geworden. Was ja in seinem Fall zu verstehen wäre. Oder?«
    »Viel … vielleicht«, stotterte Rosemarie Wunderlich Hermansson. »Ich hoffe nur, es stimmt, was du sagst. Dass ihm nichts passiert ist. Ich bin nur so …« Sie ließ ihren Blick zwischen ihrer Tochter und deren sanft lächelndem Ehemann ein paar Mal hin und her wandern, wusste aber nichts mehr zu sagen.
    Vor einer Sekunde, dachte sie, vor einer Sekunde hatte ich das Gefühl, dass Kristina mich umarmen wollte. Aber das war offensichtlich nur Einbildung.
    »Ich gehe hoch und mache Kelvin fertig«, sagte Jakob. »In Ordnung?«
    »Ja, natürlich«, nickte Kristina. »Mach das. Vielen Dank, Mama, es war ein schönes Fest.«
    »Aber wollt ihr wirklich schon …?«, versuchte Rosemarie, doch es schepperte so schrill in ihren eigenen Ohren, dass sie sich zum dritten oder vierten Mal innerhalb kürzester Zeit selbst unterbrach und verstummte. Was ist mit mir los?, dachte sie. Ich kann nicht einmal mehr mit den Leuten reden.

12
    E s gab insgesamt achtzehn Fotos von dem Haus in Spanien, und nachdem Kristina, Jakob und Kelvin in ihrem Mercedes ins Hotel gefahren waren, wurden sie gezeigt.
    »Wer hat die gemacht?«, fragte Ebba.
    »Ich natürlich«, antwortete Karl-Erik.
    »Dann wart ihr also schon einmal da?«
    »Nur ich«, erklärte Karl-Erik. »Ich bin für ein Wochenende hingeflogen. Zum ersten Advent. Es waren dreiundzwanzig Grad im Schatten, obwohl es keinen Schatten gab, ha ha. Blauer Himmel wie ein richtiger schwedischer Sommertag.«
    Die Fotos machten die Runde. Achtzehn leicht unscharfe Bilder eines weiß gekalkten Flachdachhauses in einem großen Arrangement anderer weiß gekalkter Flachdachhäuser. Kahle Berge im Hintergrund. Vereinzelte Bougainvilleas. Hier und da eine Zypresse. Ein kleiner Pool mit weißen Plastikstühlen und hellblauem Wasser.
    Auf einigen der Fotos sah man auch das Meer in der Ferne. Es lag gut zehn Kilometer entfernt, und ein Netzwerk moderner Verkehrstraßen führte dorthin.
    »Keine Fotos von drinnen?«, fragte Leif Grundt.
    »Die jetzigen Bewohner waren noch drin«, erklärte Karl-Erik. »Sie ziehen im Februar aus. Ich wollte mich natürlich nicht aufdrängen.«
    »Ich verstehe«, sagte Ebba.
    »Und ich hatte nur meine alte Spiegelreflexkamera mit«, fügte er entschuldigend hinzu. »Die funktioniert nicht immer, wie sie soll, misst das Licht nicht richtig. Deshalb habe ich mir ja diesen digitalen Apparat gewünscht. Wir werden euch jede Woche Fotos schicken. Übers Internet.«
    »Da freuen wir uns schon drauf«, sagte Leif Grundt.
    »Wie viele Pixel?«, wollte Kristoffer wissen.
    »Viele«, sagte Karl-Erik.
    Eine Weile blieb es still, und die Wanduhr nutzte die Gelegenheit, zwölf Mal zu schlagen.
    »Ich hoffe wirklich, dass ihr euch in diesem Entschluss einig seid und wisst,

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