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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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konnte sich nicht daran erinnern, dass Henrik während des Aufenthaltes in Kymlinge auf seinem Handy telefoniert hatte. Vielleicht hatte er eine oder mehrere SMS geschickt, aber auch das konnte er nicht sagen.
    Sie hatten sich natürlich miteinander unterhalten, aber nicht besonders viel. Ein wenig darüber, wie es war, in Uppsala zu leben, ein wenig über den Onkel Walter, aber es war nichts erwähnt worden, das in irgendeiner Weise einen Hinweis auf sein Verschwinden hätte geben können. In keiner Hinsicht.
    Gunnar Barbarotti fand ansonsten, dass Vater und Sohn Grundt ein gutes, problemloses Verhältnis zueinander zu haben schienen, der Junge war natürlich angespannt, aber soweit er es beurteilen konnte, hatte das nichts mit der Anwesenheit seines Vaters während des Gesprächs zu tun. Dennoch beschloss er, bereits während sie noch miteinander sprachen, dass er sich mit Kristoffer im Laufe der nächsten Tage noch einmal allein zusammensetzen müsste – für ein weiteres und etwas stringenteres Verhör.
    Einerseits wegen der eingestandenen Müdigkeit, andererseits, weil es ja wohl kaum schaden konnte.
    Wenn die Dinge nicht bald eine glückliche Lösung fänden. Vater Leif ließ wissen, dass man unter keinen Umständen die Absicht habe, nach Sundsvall zurückzukehren, solange Henrik nicht wieder aufgetaucht war.
    Falls sich das jemand eingebildet haben sollte.
    Als Gunnar Barbarotti endlich draußen im Hausflur stand und alle fünf Familienmitglieder vor Augen hatte, war es inzwischen halb sechs geworden, und er suchte vergeblich nach optimistischen – oder zumindest tröstlichen Worten zum Abschluss, denn auch hierbei schien ihm seine Müdigkeit, vereint mit den einsetzenden Kopfschmerzen, einen Strich durch die Rechnung zu machen. Alles, worauf er kam, war:
    »Wir arbeiten weiter an der Sache und werden sehen, was die Zeit uns bringt.«
    Nun ja, dachte er, als er im Auto auf dem Weg nach Hause saß, zumindest habe ich nicht zu viel versprochen.
     
    Sara schien es nicht besser zu gehen. Sie lag in ihrem Bett und schlief, als Gunnar Barbarotti vorsichtig bei ihr ins Zimmer schaute, aus ihrem offenen Mund waren schwere, rasselnde Geräusche zu hören, und eine Sekunde lang durchfuhr ihn ein Schrecken.
    Und wenn das der Preis war? Gott hatte sein Gebet erhört, aber ein Opfer gefordert. Das Leben seiner Tochter; alles zusammen war eine böse, alttestamentarische Sage.
    Er blieb in der Tür stehen und hielt sich am Rahmen fest, während er sie betrachtete und spürte, wie die Kopfschmerzen zu einer pulsierenden Wolke über den Schläfen anwuchsen. Ich binjanicht ganz gescheit, dachte er. Ich muss aufhören, mit den höheren Mächten zu spielen, man darf nicht auf diese Art und Weise feilschen, hier geht es um die Hybris.
    Aber als Allererstes … als Allererstes muss ich zwei Alvedon einwerfen, bevor mir der Schädel platzt.
    Der Besuch bei Familie Hermansson hatte seine Lebensgeister ziemlich geschwächt, daran bestand kein Zweifel. Die Wohnung erschien ungeputzt und muffig. In Saras Zimmer roch es säuerlich, in der Küche stand schmutziges Geschirr herum. Er hatte nichts zu essen eingekauft und war gar nicht auf die Idee gekommen, einen Arzt anzurufen. In Gunnar Barbarottis Welt kroch man ins Bett, wenn man krank war. Man schlief und trank sich gesund, das war alles. Aber wenn es nun etwas Ernsteres war, wenn sie irgendwelche Medizin brauchte? Was war er eigentlich für ein Vater?
    Er setzte sich auf ihre Bettkante. Schob seiner Tochter das verfilzte Haar aus dem Gesicht und legte ihr die Hand auf die Stirn.
    Klebrig, wie gedacht. Aber nicht mehr so warm wie am Morgen, wie er festzustellen meinte. Sie schlug die Augen auf. Sah ihn einen Moment lang an und schloss sie dann wieder.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Müde«, flüsterte sie.
    »Schlaf nur, mein Schatz«, sagte er. »Hast du genug getrunken?«
    Er hatte zwei frische Gläser neben ihr Bett gestellt, als er um zwei Uhr fortgegangen war – Wasser und Preiselbeersaft -, sie hatte beide zur Hälfte ausgetrunken. Sie bewegte leicht den Kopf, vielleicht nickte sie ja.
    »Ich gehe eben zum Konsum, einkaufen. Bin in einer halben Stunde zurück. Ist das okay?«
    Erneute Kopfbewegung, er strich ihr unbeholfen über die Wange und verließ sie.
    Einfache Hausarbeiten – mit der Pflege der kranken Tochter als selbstverständlicher Schwerpunkt – beschäftigten ihn für den Rest des Abends. Er holte Kerzenhalter heraus und zündete hier und da Kerzen an,

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