Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Weg zu etwas bisher noch Unbekanntem in Kymlinge.
Das war zumindest nicht ausgeschlossen. Und hoffen konnte man ja immer. Aber was sollte er selbst, der Leiter der Ermittlungen, Barbarotti – und bis auf weiteres der einzige ermittelnde Polizeibeamte – unternehmen?
Gemäß seinem Notizblock und seiner Routine begann Gunnar Barbarotti eine Liste aufzustellen.
Nach zehn Minuten war er bei vier Punkten angelangt, die alle gleich am folgenden Tag angepackt werden konnten.
1. Telefonkontakt mit denen aufnehmen, die auch in der Allvädersgatan waren, bisher aber noch nicht befragt wurden: Jakob Willnius und Kristina Hermansson. Insbesondere mit Letzterer. Einen Termin verabreden, wann man später direkt miteinander reden kann.
2. Walter Hermanssons Bekannte in Kymlinge? Welche alten Freunde gibt es, mit denen er möglicherweise noch Kontakt hatte? Mit ihnen sprechen.
3. Erneutes Gespräch mit Kristoffer Grundt. Wenn es jemanden gibt, der mit Informationen hinterm Berg hält (bewusst oder unbewusst), dann müsste er es sein. Die Brüder teilten sich ein Zimmer und müssen mehrfach miteinander gesprochen haben.
4. Die Handygespräche untersuchen.
Das war alles. Und Punkt Nummer vier hatte Sorgsen sicher schon in Angriff genommen. Mobilfunkverkehr, das war Sorgsens Sache, war es aus irgendeinem Grund geworden, aber er musste natürlich kontrollieren, ob der Kollege sich auch in diesem Fall darum gekümmert hatte.
Denn sowohl Walter Hermansson als auch Henrik Grundt waren mit Handys ausgestattet gewesen. Natürlich. Gunnar Barbarotti hatte irgendwo gelesen, dass es im Land mehr Mobiltelefone als Menschen gab. Vor fünfzehn Jahren hatte es mehr Wölfe als Handys gegeben. So war es nun einmal, alles hatte seine Zeit.
Er trank sein Bier aus und schaute auf die Uhr. Zwanzig nach zehn. Er holte ein sauberes Küchenhandtuch aus dem Schrank, hielt es unter kaltes, fließendes Wasser und ging dann zu Sara und wusch ihr damit das Gesicht. Sie wachte mit einem Ruck auf.
»Papa, was um alles in der Welt machst du?«
»Ich helfe meiner geliebten Tochter bei der Abendtoilette«, erklärte er freundlich.
»Mein Gott«, stöhnte sie. »Gib mir lieber ein bisschen Wasser zu trinken, statt es mir ins Gesicht zu kippen.«
»Wie geht es dir?«
»Müde«, sagte Sara. »Ich habe von dir geträumt.«
»Was?«, wunderte Gunnar Barbarotti sich. »Hast du nichts Besseres, wovon du träumen könntest?«
»Im Augenblick nicht«, erklärte Sara. »Aber es war etwas eklig. Du bist weggegangen, um einzukaufen, und dann bist du verschwunden. Ich mag es nicht, wenn du einfach so verschwindest.«
»Aber ich sitze ja hier«, sagte Gunnar Barbarotti.
»Ja, das sehe ich«, nickte Sara und zeigte ein blasses Lächeln. »Und dafür bin ich dir auch dankbar. Und ich wäre dir noch dankbarer, wenn du mir Wasser holst und mich dann schlafen lässt.«
»Wird sofort erledigt, mein Mädchen«, sagte Gunnar Barbarotti. »Umgehend.«
19
D er Tag vor dem großen Tag begann mit starkem Schneefall in Kymlinge und Umgebung.
Gunnar Barbarotti wachte früh auf und schaute verwundert durch das Schlafzimmerfenster auf eine Landschaft, die genauso gut in Malmberg hätte liegen können. Oder in Murmansk. Eine dicke, weiße Schneedecke unter einem grauschwarzen Himmel. Dazwischen wirbelte es. Und dabei herrschte eine Art Totenstille.
Er stand auf und holte die Zeitung aus dem Flur. Schaute kurz bei Sara herein, sie schlief und hatte das ganze Wasserglas und das halbe Saftglas leergetrunken. Er holte sich einen Teller Joghurt und ein Glas Saft aus der Küche und kroch wieder zurück ins Bett. Begann die Zeitung durchzublättern.
Der Artikel über Walter Hermansson und Henrik Grundt stand auf Seite sechs. Ein Zweispalter und Fotos von beiden Vermissten. Die Rubrik trug kurz und knapp die Überschrift:
Vermisst.
Es stand nur eine einzige Zeile da, dass einer der Verschwundenen an der nicht unbekannten Fernsehsendung »Die Gefangenen auf Koh Fuk« teilgenommen hatte, und es wurde mitgeteilt, dass die Polizei bis jetzt keinen Verdacht hatte, dass hinter dem Verschwinden ein Verbrechen liegen könnte.
Gunnar Barbarotti selbst hatte mit keinem Journalisten gesprochen, und er fragte sich, wer das wohl getan hatte. Sorgsen oder Asunander selbst wahrscheinlich. Und er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Boulevardblätter die Geschichte zu fassen kriegten. Sicher nicht lange, wenn sie arbeiteten, wie man es kannte. Und dann würde die Story
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