Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Mal dachte sie lange nach. Neigte den Kopf ein wenig zur Seite, was ihn plötzlich an einen finnischen Skiläufer erinnerte, dessen Namen er vergessen hatte, der es aber in der Endphase seines Laufs auch immer so gemacht hatte.
»Ich verstehe, was Sie sagen wollen«, sagte sie dann. »Er ist weggegangen, weil er einen Grund dafür hatte, natürlich muss es so gewesen sein. Möglicherweise wollte er jemanden treffen … vielleicht jemanden, der ihn angerufen hat?«
»Es ist nicht möglich, dass dieses Mädchen …« Er war gezwungen, in seinem Block zurückzublättern. »… Jenny. Dass sie möglicherweise hier irgendwo in der Gegend wohnt?«
Er sah, dass ihr dieser Gedanke noch nicht gekommen war. »Jenny?«, rief sie aus. »Nein, ich glaube … mir ist so, als käme sie aus Karlskoga. Und warum sollte sie …?«
»Ich bin Ihrer Meinung, dass das weit hergeholt ist«, gab Gunnar Barbarotti zu. »Aber es muss ja nicht sie gewesen sein. Es kann ja auch ein Kommilitone gewesen sein, zum Beispiel. Als ich in Lund studiert habe, kamen sie wirklich aus ganz Schweden.«
»Hm«, sagte Ebba Hermansson Grundt und schaute plötzlich ziemlich kritisch drein. »Nein, ich muss sagen, dass ich das nicht glaube.«
Ich auch nicht, dachte Gunnar Barbarotti finster. Ich auch nicht. Aber die Frage ist, was wir dann glauben sollen.
Das Gespräch mit Leif und Kristoffer Grundt führte er unmittelbar, nachdem ihre Ehefrau und Mutter den Raum verlassen hatte, und anschließend fragte er sich, ob er sich nicht vorher lieber eine Pause und eine Mütze frischer Luft hätte gönnen sollen. Keiner der beiden hatte dem, was er von den drei zuvor Befragten erfahren hatte, viel hinzuzufügen, aber nach mehr als zwei Stunden Sofasitzung im Hermanssonschen Haus ließ seine Aufmerksamkeit auch etwas nach. Wenn es Dinge gegeben haben sollte, die er zwischen oder hinter den Zeilen hätte lesen sollen, dann war er sich absolut nicht mehr sicher, ob er dazu noch in der Lage war.
Jedenfalls war er noch nicht so abgestumpft, dass er nicht bemerkt hätte, wie abgestumpft er war, und mit diesem spärlichen Trost beschloss er, sich zufrieden zu geben.
Dass Leif Grundt Informationen zurückhalten könnte, die ein neues Licht auf die Lage der Dinge warfen, erschien ihm trotz allem wenig wahrscheinlich. Der Mann war groß und kräftig, machte einen ganz anderen Eindruck als seine Ehefrau und strahlte fast eine Art Gemächlichkeit aus – zumindest eine Gutmütigkeit. Aber vielleicht war das ja auch eine bewusste Entscheidung, eine Strategie, ein Modus vivendi. Was wahrscheinlich keinerlei Bedeutung für das Verschwinden der Personen hatte, aber Barbarotti konnte nicht umhin, er musste über die Rollen und die Machtverteilung in der Familie Grundt nachdenken. Dass die Mutter hier die Hosen anhatte und regierte, daran bestand kein Zweifel.
Wie würde ich selbst mit so einer Frau umgehen?, überlegte der Inspektor, schüttelte den Kopf und sah ein, dass er sich außerhalb der Grenzen der Relevanz verirrt hatte.
Kristoffer erwies sich als ein ziemlich schweigsamer Junge. Er war vierzehn Jahre alt, und Barbarotti ahnte, dass er zum größten Teil im Schatten seines fünf Jahre älteren großen Bruders aufgewachsen war. Henrik war offensichtlich einer dieser hochbegabten Jünglinge, denen alle ihre Vorhaben glückten, die in aller wünschenswerten Offensichtlichkeit Erfolg einheimsten – während Kristoffer ein …, ja, was schien er zu sein? In gewisser Weise ein Jüngling auf Abwegen, aber auf jeden Fall ein vollkommen normaler Vierzehnjähriger.
Er hatte während des Besuchs bei den Großeltern mütterlicherseits das Zimmer mit Henrik geteilt. Gunnar Barbarotti war oben gewesen und hatte es sich angesehen, ein enges, kleines Kämmerchen mit zwei Betten, einem Schreibtisch und Tapeten, die so schauerlich hässlich waren, dass man sich fragen konnte, ob Leute, die sich etwas Derartiges an die Wände klebten, wirklich bei Verstand sein konnten.
Was das Verschwinden des Bruders betraf, so hatte Kristoffer nicht viel beizutragen. Er war in der betreffenden Nacht irgendwann gegen halb eins eingeschlafen, und zu diesem Zeitpunkt hatte Henrik immer noch in seinem Bett gelegen. Kristoffer hatte nicht bemerkt, dass er aufgestanden und das Zimmer verlassen hatte, er hatte kein Telefon klingeln gehört, und als er morgens aufstand, war er davon ausgegangen, dass der Bruder vor ihm aufgewacht war und sich im Badezimmer oder unten in der Küche befand.
Nein, er
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