Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
ziemlich fertig. Außerdem war er unserer Mutter gegenüber etwas unverschämt.«
»Unverschämt? In welcher Form?«
»Ach, es war nur eine Bagatelle. Er war einfach tollpatschig. Es herrschte eine Art Übereinkunft darüber, dass niemand etwas von seinem Fauxpas in dieser Fernsehserie sagen sollte, und er fand es merkwürdig, dass alle herumliefen und so taten, als wenn nichts gewesen wäre. Er wurde leicht grob.«
»Und darüber haben Sie mit ihm gesprochen, als Sie zu zweit draußen waren?«
»Ja.«
»Dass er sich beruhigen sollte?«
»Nein, das war … das hatte nicht das Gewicht. Aber er tat mir leid. Ich hatte das Gefühl, dass er ein Gespräch unter vier Augen brauchte.«
Gunnar Barbarotti dachte nach. Er dachte, dass das Telefon in mancherlei Hinsicht eine praktische Einrichtung war, aber auch vieles verbarg. Von der Person, mit der man sprach. Er wünschte sich, er könnte stattdessen Kristina Hermansson an einem Cafétisch gegenübersitzen.
»Nun gut«, sagte er. »Gab es in all dem, was Sie mit Walter besprochen haben, irgendetwas, das ein Hinweis darauf sein könnte, wohin er gegangen ist?«
Sie holte tief Luft und ließ einen schweren Seufzer vernehmen, das war auch durch das Telefon zu hören.
»Nein«, sagte sie. »Ich bin jedes einzelne Wort, das wir gewechselt haben, in den letzten drei, vier Tagen durchgegangen, und da gibt es nichts, glauben Sie mir, nicht den Hauch von … ja, von etwas, das andeuten könnte, was passiert ist. Ich bin über das Ganze verzweifelt, Sie... Sie müssen das verstehen... beide, Walter und Henrik, das ist … das ist …«
Sie begann zu weinen.
»Entschuldigen Sie mich.«
Gunnar Barbarotti starrte auf den fallenden Schnee und dachte an nichts. Höchstens an Wölfe. Irgendwie hingen Wölfe und Schnee zusammen.
»Entschuldigen Sie. Es … es fällt mir so schwer, damit klarzukommen. Aber Sie haben also keine Neuigkeiten?«
»Leider nicht. Aber wir sind ja auch etwas spät eingeschaltet worden. Walter verschwand Montagnacht, und Ihre Familie hat die Polizei erst am Mittwochabend angerufen, als eine weitere Person verschwunden war. Wie kommt es, dass Sie so lange gewartet haben?«
»Ich weiß nicht. Alle haben wohl geglaubt, dass Walter … ja, dass er sich irgendwo versteckt gehalten hat. Dass er zu irgendeinem alten Bekannten in Kymlinge gegangen ist und beschlossen hat, diese Familienzusammenkunft nicht ertragen zu können. Das wäre ja … na, zumindest verständlich.«
»Und Sie haben das auch geglaubt?«
»Ich denke schon.«
»Wissen Sie, welche alten Bekannten Walter in Kymlinge hat?«
»Nein. Meine Mutter und ich haben darüber gesprochen, aber wir sind beide auf keinen möglichen Kandidaten gekommen … und jetzt sind ja fast vier Tage vergangen.«
»Wir werden der Sache genauer nachgehen«, versprach Gunnar Barbarotti. »Aber es stimmt, was Sie sagen. Warum sollte er sich so lange versteckt halten?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Kristina Hermansson mit einem Schluchzen. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Wenn wir jetzt zu Henrik kommen, Ihrem Neffen«, beeilte sich der Inspektor, um die nächste Unpässlichkeit abzubiegen. »Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Über alles mögliche.«
Wunderbare Antwort, dachte er.
»Zum Beispiel?«
»Ja, wie es ist, von zu Hause auszuziehen unter anderem. Henrik hat ja angefangen, in Uppsala zu studieren … über das Studentenleben und so.«
»Haben Sie guten Kontakt zu Ihren Neffen?«
»Ja, ich denke schon. Wir mochten uns immer gern.«
»Bezieht das auch Kristoffer mit ein?«
»Aber natürlich.«
»Aber Sie haben in erster Linie mit Henrik gesprochen?«
»Ja, Kristoffer ist ins Bett gegangen … ja, ich denke, so gegen Viertel vor eins.«
»Dann waren es nur noch Henrik und Sie?«
»Ja, aber ich denke, wir sind auch nicht mehr länger als eine Viertelstunde aufgeblieben. Dann bin ich zurück ins Hotel gegangen.«
»Aber Sie haben eine Viertelstunde allein mit Henrik geredet?«
»Ungefähr. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber es war nicht besonders lange.«
»Ich verstehe. Und haben Sie während dieser Viertelstunde über etwas Besonderes geredet?«
»Nein … das Studium … einige alte Erinnerungen. Wie es war, als er und Kristoffer noch klein waren … so etwas in der Art.«
»Danke. Das war also am Montag. Und wie war es am Dienstag, haben Sie da viel mit Henrik geredet?«
»Fast gar nicht. Da war ja der Geburtstag … Papas und Ebbas großer Tag … nein, ich habe
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