Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
Gedanken ermöglicht, kann man den darauf fußenden Äußerungen - im Gegensatz zu den Reaktionen, die sein limbischer Gegenpart hervorruft - am wenigsten trauen. Der Neocortex befähigt uns zur vorsätzlichen Täuschung und davon machen wir nicht selten Gebrauch (Vrij, 2003, 1-17).
Kasten 7
EINEM ATTENTÄTER DAS HANDWERK LEGEN
Da der limbische Teil unseres Gehirns nicht mit dem Verstand gesteuert werden kann, spielen die von ihm erzeugten Verhaltensweisen für die Deutung nonverbaler Kommunikation eine wichtige Rolle. Man kann noch so sehr versuchen, seine wahren Gefühle mit Willenskraft zu unterdrücken - das limbische System ist willentlich nicht zu kontrollieren und wird früher oder später verräterische Hinweise liefern. Diese aussagekräftigen Reaktionen zu beobachten und zu wissen, dass sie authentisch und deutungsstark sind, ist extrem wichtig; diese Fähigkeit kann sogar Menschenleben retten.
Ihre Beobachtungsgabe machte sich auch eine wachsame US-amerikanische Zollbeamtin im Dezember 1999 zunutze, als sie einem Terroristen das Handwerk legte, der in den Medien den zweifelhaften Ruhm als »Millenium-Bomber« erwarb. Der Beamtin Diana Dean fiel auf, dass Ahmed Reesam, der aus Kanada kommend in die Vereinigten Staaten einreisen wollte, sehr nervös war und stark schwitzte. Deshalb forderte sie ihn auf, für eine eingehendere Befragung den Wagen zu verlassen. Daraufhin versuchte Reesam zu fliehen, wurde aber schnell gefasst. In seinem Wagen fand man Sprengstoff und Zeitzünder. Reesam wurde schließlich für schuldig befunden, ein Bombenattentat auf den Flughafen von Los Angeles geplant zu haben.
Die Nervosität und Transpiration des Mannes waren Reaktionen auf immensen Stress, sie lieferten Officer Dean den entscheidenden Hinweis. Weil diese Verhaltensweisen, gesteuert vom limbischen Gehirn, als authentisch zu werten sind, hatte Officer Dean berechtigten Anlass, Reesam genauer zu kontrollieren; sie hatte an ihm eine Körpersprache beobachtet, die ihr verdächtig erschien und die eine eingehendere Untersuchung rechtfertigte. Die Überführung Reesams verdeutlicht anschaulich, wie sich ein psychologischer Zustand nonverbal beziehungsweise körperlich äußert. In diesem Fall verriet das limbische System des potenziellen Bombenlegers - der verständlicherweise große Angst davor hatte, entdeckt zu werden - seine Nervosität, obwohl er alles in seiner Macht Stehende unternommen hatte, seine wahren Gefühle zu verbergen. Wir schulden Officer Dean unseren Dank dafür, dass sie sich als
eine so wachsame Beobachterin nonverbalen Verhaltens erwiesen und somit einen Terroranschlag vereitelt hat.
Während das limbische System den Attentäter dazu zwingen mag, stark zu schwitzen, während er von der Zollbeamtin befragt wird, ermöglicht ihm der Neocortex sehr wohl, seine wahren Gefühle zu leugnen. Durch den »denkenden« Teil des Gehirns, der zugleich auch unsere Sprachfähigkeit (speziell das Broca-Zentrum) steuert, ist der Bombenattentäter beispielsweise dazu in der Lage, einen Satz wie »Ich habe keinen Sprengstoff im Wagen« zu äußern - obwohl diese Behauptung natürlich falsch ist. Der Neocortex ermöglicht uns ohne Weiteres, einer Freundin ins Gesicht zu sagen, dass wir von ihrer neuen Frisur begeistert sind, obwohl wir sie in Wirklichkeit schrecklich finden. Er sorgt auch für durchaus überzeugende Behauptungen wie: »Ich hatte keine sexuelle Beziehung zu dieser Frau Lewinsky.«
Und eben weil der Neocortex (das »denkende« Gehirn) Unehrlichkeit ermöglicht, hilft er uns nicht weiter, wenn wir zuverlässige oder genaue Informationen benötigen (Ost, 2006, 259291). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das limbische System der Dreh- und Angelpunkt einer jeden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Körpersprache ist. Allein das limbische Gehirn löst ehrliche nonverbale Verhaltensweisen aus - auf diesen Teil des Gehirns werden wir deshalb unsere Aufmerksamkeit richten.
Nonverbale Reaktionen, die das limbische System steuert
Das limbische System hat unser Überleben als Spezies gesichert, indem es in Gefahrensituationen unser Verhalten optimal regelt. Ganz egal, ob wir einem urzeitlichen Säbelzahntiger gegenüberstehen oder einem launischen Vorgesetzten - nach wie vor laufen im Prinzip dieselben (überlebens)wichtigen instinktiven Reaktionen in uns ab wie in unseren primitiven Vorfahren. Als Antwort auf Bedrängnis oder Bedrohung hat unser Gehirn einen Automatismus entwickelt, der sich in
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