Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
gleich drei »Gehirne«, die jeweils spezielle Funktionen erfüllen und im Verbund als »Kommandozentrale« fungieren, die alles steuert, was der Körper ausführt. 1952 beschrieb ein Wissenschaftler namens Paul MacLean das menschliche Gehirn erstmals als dreigeteilt und unterschied zwischen einem Reptilien- oder Stammhirn, einem Säugetier- oder limbischen Gehirn und einem menschlichen Gehirn (Neocortex). In diesem Buch konzentrieren wir uns auf das limbische System (jenen Teil, den MacLean als »Säugetiergehirn« bezeichnete, siehe Abbildung 3), weil es die entscheidende Rolle beim Ausdruck nonverbalen Verhaltens spielt. Unseren Neocortex (also unser menschliches, »denkendes« Gehirn) werden wir hingegen dazu einsetzen, die limbischen Reaktionen unserer Mitmenschen genau unter die Lupe zu nehmen und herauszufinden, was sie denken, fühlen oder zu tun beabsichtigen (LeDoux, 1996, 184-189; Goleman,
1995, 10-21).
Wir müssen uns zunächst darüber im Klaren sein, dass das Gehirn all unsere Verhaltensweisen steuert, alle bewussten, aber eben auch alle unbewussten. Dies ist ganz entscheidend für das Verständnis jeglicher nonverbaler Kommunikation. Ob man sich nun am Kopf kratzt oder eine Symphonie komponiert - es gibt praktisch keine menschliche Handlung, die nicht durch das Gehirn bestimmt oder gesteuert wird (außer vielleicht einige unbewusste Muskelreflexe). Folglich können wir diese Verhaltensweisen nutzen, um zu dechiffrieren, welche Botschaften das Gehirn damit aussendet.
Das limbische Gehirn: ein Meisterwerk ohnegleichen
Das limbische Gehirn steht also im Zentrum unserer Auseinandersetzung mit der menschlichen Körpersprache. Und zwar deshalb, weil dieser Teil des Gehirns auf die Welt um uns herum ausschließlich reflexartig und unmittelbar
Abbildung 3: Darstellung des Gehirns und der wichtigsten Bestandteile des limbischen Gehirns wie Amygdala und Hippocampus
reagiert, in Echtzeit und ohne dass wir nachdenken müssen. Er sorgt dafür, dass Reize aus unserer Umgebung uns ungefiltert erreichen, und löst automatisch eine aufrichtige Reaktion darauf aus (Myers, 1993, 35-39). Weil es für unser Überleben so wahnsinnig wichtig ist, ist das limbische Gehirn immer aktiv. Es ist außerdem unser emotionales Zentrum und eng vernetzt mit anderen Gehirnarealen, die ihrerseits Einfluss auf unser Verhalten nehmen, vor allem wenn es um elementare Gefühle oder um instinktive, überlebenswichtige Verhaltensweisen geht (LeDoux,
1996, 104-137). Diese Verhaltensweisen können beobachtet und entschlüsselt werden, wenn sie sich körperlich manifestieren -etwa in der Position der Füße, in der Haltung des Rumpfes, der Arme, Hände und in Gesichtsausdrücken. Im Gegensatz zur gesprochenen Sprache finden diese Reaktionen statt, ohne dass man auch nur einen Gedanken daran verschwenden muss. Deshalb sind sie authentisch und deshalb gilt das limbische Gehirn in Sachen nonverbale Kommunikation als das »ehrlichste« unter den Gehirnen (Goleman, 1995, 13-29).
Diese Uberlebensreaktionen des limbischen Gehirns sind nicht erlernt oder anerzogen, sie wurzeln viel tiefer in unserem menschlichen Erbgut. Sie sind ein fester Bestandteil unseres natürlichen instinktiven Verhaltens, weswegen es schwer ist, sie zu verschleiern oder zu vermeiden. Versuchen Sie nur einmal in Erwartung eines lauten Knalls das reflexartige Erschrecken zu unterdrücken. Weil das kaum möglich ist, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass limbische Verhaltensweisen aufrichtig und zuverlässig sind; sie sind authentische Manifestationen unserer Gedanken, Gefühle und Absichten (siehe Kasten 7 ).
Der dritte Teil unseres Gehirns ist entwicklungsgeschichtlich der jüngste, deshalb heißt er auch Neocortex, zu Deutsch »neues Gehirn«. Man spricht auch vom »menschlichen«, »denkenden« oder »intellektuellen« Gehirn, weil dieser Bereich für höhere Denk- und Gedächtnisleistungen verantwortlich ist. Durch ihn unterscheiden wir uns von anderen Säugetieren; er macht einen Großteil der Großhirnrinde (Cortex) aus und ermöglicht uns abstraktes Denken. Er verleiht uns die Fähigkeit, zu rechnen, zu analysieren, zu übersetzen und Schlussfolgerungen zu ziehen -und zwar auf einem Niveau, das einzig der Spezies Mensch vorbehalten ist. Der Neocortex ist unser »bewertendes«, »kreatives« Gehirn. Er ist jedoch auch der Teil des Gehirns, der am wenigsten »ehrlich« ist; daher bezeichne ich ihn auch als unser »lügendes« Gehirn. Weil er uns komplexe
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