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Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt

Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt

Titel: Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Navarro
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einmal einer Polizeibehörde bei einem Fall unter die Arme, in dem es um eine mutmaßliche Vergewaltigung ging. Die Frau, die den Vorfall gemeldet hatte, hatte in einem Zeitraum von fünf Jahren bereits drei Vergewaltigungen angezeigt, was statistisch gesehen eher unwahrscheinlich ist. Als ich ihre auf Videoband aufgenommene Befragung sah, bemerkte ich, dass sie an den Stellen, an denen sie darüber sprach, wie verängstigt sie war und wie schlecht es ihr ging, extrem passiv wirkte und kein einziges Mal ihre Drosselgrube bedeckte. Mir kam ihr Verhalten irgendwie »mangelhaft« vor und ich wies die Ermittler darauf hin. Die Frau zeigte einfach keines der klassischen Stresssymptome. Ich hatte auch schon in anderen Vergewaltigungsfällen ermittelt und bei der Wiedergabe des Tathergangs kam es fast immer vor, dass die Frauen ihre Drosselgrube bedeckten, selbst wenn die Tat bereits Jahrzehnte zurücklag. Nach weiteren Ermittlungen erwiesen sich die Anschuldigungen der Frau, die bei der Befragung so teilnahmslos gewirkt hatte, als unhaltbar. Schlussendlich kamen wir dahinter, dass sie alles frei erfunden hatte - was die Stadt Tausende von Dollar gekostet hatte -, weil sie die Aufmerksamkeit genoss, die ihr durch die Polizeibeamten, Kriminalermittler und Opferbeauftragten zuteil wurde, die ihr ursprünglich geglaubt hatten und ihr helfen wollten.
    Erst kürzlich plauderte ich mit einem Freund vor einem Besprechungsraum, als eine Kollegin herauskam, die mit einer Hand ihre Drosselgrube bedeckte und mit der anderen ihr Handy hielt. Mein Freund fuhr mit dem Gespräch fort, als sei nichts geschehen. Als die Frau das Telefongespräch beendet hatte, sagte ich: »Wir sollten mal nachsehen, ob es ihr gut geht. Irgendetwas ist passiert.« Und so war es auch: Eines ihrer Kinder hatte in der Schule hohes Fieber bekommen und musste so schnell wie möglich abgeholt werden. Das Berühren des Halses ist eine jener Verhaltensweisen, die so zuverlässig und genau sind, dass sie wirklich unsere volle Aufmerksamkeit verdienen.
    Fast unmerkliche Mikrogesten
    Wenn eine Person versucht, eine normale Reaktion auf einen negativen Reiz zu unterdrücken, kann man manchmal nur ganz kurze, nonverbale Mikrogesten beobachten (Ekman, 2003, 15). Und zwar gilt in diesem Zusammenhang: Je reflexhafter und kurzlebiger eine Reaktion ist, umso ehrlicher ist sie in der Regel. Stellen wir uns zum Beispiel vor, ein Vorgesetzter eröffnet einem seiner Mitarbeiter, er müsse am Wochenende eine Sonderschicht einlegen, weil ein Kollege krank geworden sei. Sobald der Angestellte diese Nachricht hört, kräuselt sich seine Nase oder es zeichnet sich kurz ein verzerrtes Grinsen auf seinem Gesicht ab. Diese Mikrogesten offenbaren sehr genau das Missfallen, das die Person in diesem Moment tatsächlich fühlt. Ähnlich können auch unsere Hände fast unmerkliche Bewegungen vollführen, die Sie vielleicht überraschen werden (siehe Kasten 44).
    Kasten 44
    JEMANDEM DEN STINKEFINGER ZEIGEN
    In seinem herausragenden Buch Ich weiß, dass du lügst beschreibt Dr. Paul Ekman seine Forschung, bei der er Hochgeschwindigkeitskameras eingesetzt hat, um Mikrogesten aufzunehmen, die unbewusst das Missfallen beziehungsweise die aufrichtigen Gefühle einer Person zum Vorschein bringen. Eine der Mikrogesten, die Dr. Ekman festhielt, ist der »Stinkefinger«. In einem Fall von nationalem Interesse, in den ich als
    Beobachter eingebunden war, fiel auf, dass ein Verdächtiger wiederholt seinen Mittelfinger verwendete, um seine Brille nach oben zu schieben. Allerdings immer nur dann, wenn der leitende Ermittler der Justizbehörde (gegen den er offenbar eine Abneigung hatte) ihm eine Frage stellte. Bei keinem der anderen Fragesteller war dieses Verhalten feststellbar - nur eben bei dem einen, den der Verdächtige nicht mochte. Zuerst konnten wir kaum glauben, dass wir eine so offensichtliche, wenngleich flüchtige Geste vor uns sahen, die sich eindeutig auf eine bestimmte Person bezog. Zum Glück hatte der Verdächtige einem Verfahren nach der Kronzeugenregelung zugestimmt und deshalb wurden seine Befragungen auf Video aufgenommen, sodass wir das Band mehrmals abspielen konnten, um uns zu vergewissern, dass wir uns nicht geirrt hatten.
    Mindestens ebenso interessant war allerdings, dass der leitende Ermittler den Stinkefinger selbst gar nicht bemerkte. Als wir ihm davon erzählten, weigerte er sich zu akzeptieren, dass dies ein Zeichen der Abneigung des Befragten sein sollte. Als jedoch alles

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