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Menschen wie Götter

Menschen wie Götter

Titel: Menschen wie Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Snegow
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mit dem unverständlichen Wörtchen „Ekklesiastikus“ aus seinem geliebten Antiquitätenarchiv protzen.
    Zunächst rief Oor zur Rettung derjenigen auf, die am nächsten Tag sterben sollten, und zog erbittert über die Beschleuniger her. „Sie sind nicht nur unzufrieden, sie sind Rebellen. Und sie hassen sich selbst, das Leben, die ganze Welt. Sie sind die wahren Verwerfer, da sie sich vom gesamten Universum abwenden, nicht nur von ihrem Planeten. Sie tragen den Keim der Vernichtung in sich, aus dem die giftige Frucht des realen Todes wächst.“
    Dann sang der Oberste Verwerfer des Endes eine feierlich schwülstige Hymne auf das Dasein. Ich bin nicht stark in Philosophie, aber ich bin mit Lussin der Meinung, daß sich das Weltgefühl der Verwerfer in der Begeisterung für zielloses Dahinvegetieren und dem Entzücken über jegliche Scheußlichkeit erschöpfte. Eine Existenz im Namen der Existenz so sah im großen und ganzen diese billige Philosophie aus.
    „Ach, freut euch des Staubs, berauscht euch an der Finsternis!“ verkündete von der zwölfbeinigen zuckenden Kanzel der Oberste Verwerfer des Endes.
    ,,Denn herrlich ist der würgende Staub, hinreißend die tiefe Finsternis! Sucht nicht das Heil, das ewige Heil stumpft den Geruchssinn ab, den Geschmack und die Sehkraft. Strebt nach Mängeln, denn die ewigen Mängel versüßen jegliches Heil! Die Finsternis um euch macht, daß euch ein Lichtfünkchen ergötzt.
    Ihr seid zum Existieren geschaffen. Also existiert, existiert! Und möge die Finsternis tiefer und der Staub dichter werden! Herrlich, großartig, göttlich ist die Drangsal! Schön, schön ist der Kampf um die Existenz. Je enger die Möglichkeiten, je verderbenbringender die Umwelt, desto wonniglicher die für das Dasein ertrotzte Stunde, Minute, Sekunde! Je weniger Anlässe für Genuß, desto intensiver der Genuß aus jeglichem Anlaß. Ach, ins Dunkel gehen, frohlockend, daß man fähig ist, das Dunkel zu empfinden!
    Ach, vor Staub ersticken, qualvoll nach sauberer Luft dürsten und auskosten, daß man fähig ist, so leidenschaftlich zu dürsten! Fliehen, fliehen vor den rachsüchtigen Blitzen der grimmigen Mutter Speichern. Fliehen vor den raubgierigen Kreaturen des Ozeans und jauchzen, daß man zu fliehen vermag, daß man nicht wird, nicht wird, nicht wird der Brennpunkt einer elektrischen Entladung, die Beute eines Räubers. Und wenn ihr Gestank wahrnehmt, so jubelt, daß ihr üblen Geruch von gutem unterscheidet. Taucht in den Gestank, taucht, in seiner Abscheulichkeit entdeckt ihr eure Fähigkeit, euch an gutem Duft zu freuen. Ohne Gestank keine Wonne des Wohlgeruchs. Oh, wie schön sind die Drangsale und Ängste, die Qualen und die Entbehrungen! Sie sind die Unvergänglichkeiten der Existenz, sie sind die Selbstverstärker der Bestätigung! Preist die Drangsale! Ergötzt euch an der Qual! Verwirklicht das Höchste in euch: die Fähigkeit, euch ganz und gar zu erniedrigen. Euch so dicht an den Boden zu schmiegen, daß die Grausamen Götter euch nicht sehen, nicht spüren, nicht kennen! Seid stolz auf euer Dasein, denn ihr existiert allem zum Trotz. Es ist das Höchste im Leben zu leben! Es ist das Heiligste an der Existenz zu existieren. Also existiert! Lebt, lebt! Im Kampf gegen alles, gegen alles Existieren, existieren! O Mutter Blitzspeicherin, schlag zu! Wir halten stand! Wir halten stand!“
    „Welch eine furchtbare Philosophie, Eli!“ flüsterte Lussin wieder.
    „Was er sagt, entspricht nicht dem, was du über die Verwerfer des Endes erzählt hast“, wandte ich mich in Gedanken an Oan.
    Er erwiderte von Gehirn zu Gehirn; „Der Oberste Verwerfer überzeugt seine Anhänger, nicht das Ende herbeizusehnen. Das ist nur die eine unserer Aufgaben. Die andere besteht darin, einen vernünftigen Ausweg aus der heutigen Ausweglosigkeit zu finden.
    Merke wohl: Oor behauptet nirgends, daß der Jubel für zielloses Dahinvegetieren ewig dauern soll. Doch für die heutige Generation ist es unvermeidlich. Die Befreiung können erst unsere Nachfahren erleben.
    Viele Aranen begreifen das, aber die höchsten Geheimnisse sind nicht allen zugänglich.“
    Die Antwort war nicht gerade klar, aber ich bestand nicht auf näherer Erläuterung.
    Oors lange Rede war von Heulen und Schreien, krampfhaftem Zucken aller Körper, Aufgleißen und Schwenken der schlangenförmigen Armhaare begleitet gewesen. Nachdem er mit dem hysterischen Ruf „Existieren! Existieren!“ geendet hatte, verkündete er: „Jetzt, o

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