Menschenhafen
Kaffee?«
Simon drehte das Blatt zwischen seinen Fingern und versuchte möglichst ungezwungen zu klingen, als er fragte: »Und worüber habt ihr gesprochen?«
Anna-Greta stand vom Tisch auf, holte Tassen aus dem Schrank und die Kaffeekanne vom Herd. Simon hatte seine Frage so leise gestellt, dass Anna-Greta sie möglicherweise nicht gehört hatte. Er glaubte allerdings, dass sie ihn verstanden hatte. Er zwirbelte das Blatt zwischen den Fingern und fühlte sich wie ein kleines Kind, als er seine Frage wiederholte:
»Worüber habt ihr gesprochen?«
Anna-Greta stellte die Kaffeekanne ab und schnaubte, als würde seine Frage sie amüsieren. »Warum willst du das wissen?«
»Nur so.«
»Komm, setz dich. Möchtest du ein Teilchen?«
Die Freude, die Simon durchsprudelt hatte, zog sich zurück und hinterließ ein ausgetrocknetes Flussbett in seinem Bauch. Steine und stachelige Sträucher. Hier stimmte etwas nicht, und das Schlimmste war, dass er etwas Ähnliches auch früher schon bei zwei, drei Gelegenheiten erlebt hatte. Anna-Greta war fort gewesen, und wenn er wissen wollte wo, wich sie seinen Fragen aus, bis er aufgab.
Diesmal würde er nicht nachgeben. Er setzte sich an den Tisch und hielt eine Hand über seine Kaffeetasse, als Anna-Greta einzugießen versuchte. Als ihre Augen fragend seinen begegneten, sagte er: »Anna-Greta. Ich will wissen, worüber du mit Elof gesprochen hast.«
Anna-Greta versuchte es mit einem Lächeln. Als es in Simons Gesicht nicht erwidert wurde, erstarb es. Sie sah ihn an, und für den Bruchteil einer Sekunde zog etwas … Bedrohliches durch ihren Blick. Simon wartete. Anna-Greta schüttelte den Kopf. »Über dies und das, alles Mögliche. Ich begreife nicht, warum dich das so interessiert.«
»Es interessiert mich«, erwiderte Simon, »weil ich gar nicht wusste, dass Elof dir so nahesteht.« Anna-Greta öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Simon schnitt ihr das Wort ab. »Es interessiert mich, weil ich gehört habe, dass ihr über Sigrid gesprochen habt. Darüber, dass sich etwas verändert hat.«
Anna-Greta gab den Versuch auf, das Gespräch auf einer alltäglichen Ebene zu halten. Sie stellte die Kaffeekanne ab, richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast gelauscht.«
»Ich habe es zufällig gehört.«
»Dann denke ich, du solltest vergessen, was du da zufällig gehört hast. Lass es auf sich beruhen.«
»Und warum?«
Anna-Greta zog die Wangen nach innen, als gäbe es etwas Saures in ihrer Mundhöhle, das sie im nächsten Moment ausspucken wollte. Dann wurde ihre Körperhaltung weicher, und sie sank ein wenig in sich zusammen. Sie sagte: »Weil ich dich darum bitte.«
»Das ist doch völlig verrückt. Was ist denn so geheim?«
Das Bedrohliche oder Fremde tauchte erneut in Anna-Gretas Augen auf. Sie goss sich einen Kaffee ein, setzte sich an den Tisch und sagte ruhig und gefasst: »Ganz gleich, was du sagst. Wie sehr dich das enttäuscht. Ich habe nicht vor, darüber zu sprechen. Punkt.«
Mehr wurde nicht gesagt. Eine Minute später stand Simon auf Anna-Gretas Eingangstreppe. Das Ahornblatt hielt er immer noch in der Hand. Er betrachtete es und erinnerte sich nicht mehr, was ihm an dem Blatt so besonders erschienen war, dass es ihn veranlasst hatte, zu Anna-Greta zu gehen. Er warf es fort und schlug den Weg zu seinem Haus ein.
»Punkt«, murmelte er in sich hinein. »Punkt.«
ALTE BEKANNTE
Ganz hinten in der Bibel
hatten unsere Kindergärtnerinnen
unsere wahre Herkunft notiert:
aus den Schatten an Land geschwemmt.
ANNA STÅBI – FLUX
Über das Meer
Land und Meer.
Wir können uns vorstellen, dass sie sich als Gegensätze gegenüberstehen oder einander ergänzen. Aber es gibt einen Unterschied darin, wie wir an Meer und an Land denken.
Wenn wir in einem Wald, über eine Wiese oder durch eine Stadt gehen, setzt sich die Umgebung in unseren Augen aus Einzelheiten zusammen. So und so viele verschiedene Baumarten in variierenden Größen, die und die Häuser, diese Straßen. Die Wiese, die Blumen, die Sträucher. Unser Blick verharrt bei Details, und wenn wir in einem herbstlichen Wald stehen, fehlen uns die Worte, sobald wir die Vielfalt, die uns umgibt, zu beschreiben versuchen. All das gibt es an Land.
Das Meer ist dagegen etwas völlig anderes. Das Meer ist eins.
Wir können die schwankenden Stimmungen des Meeres bemerken. Wie das Meer aussieht, wenn es windig ist, wie das Meer mit dem Licht spielt, wie es sich hebt und
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