Menschenherz - Band 1-3
bevor ich wütend werden konnte, blickte er mich liebevoll an.
„ Ich habe dir versprochen, ich werde niemals etwas gegen deinen Willen tun. – Und ich habe mich bisher daran gehalten und werde mich auch immerzu daran halten.“
Sein Blick wurde noch weicher, flehender. „Als ich dich herbrachte und versucht habe dich zu verführen, – es wäre nicht gegen deinen Willen gewesen!“
Schlagartig kehrte meine Wut zurück. „Das ist reine Auslegungssache, nicht wahr?“
„ Du wolltest eine Entscheidung treffen“, murmelte er und strich eine lange Haarsträhne aus meinem Gesicht.
Ich starrte ihn an. Unsicher, was er meinte oder worauf er anspielte.
Er schluckte. „Ich habe das Vorwort deines Buches gelesen.“
Stumm erwiderte ich seinen Blick. Es dauerte Sekunden, bis ich begriff, wovon er sprach. „Nur das Vorwort?“
Er nickte. „Ich wusste nicht, ob ich es lesen darf“, flüsterte er leise. „Ob ich ein Recht dazu hatte ... nach allem was ich getan habe, wusste ich nicht, ob ich ein Recht dazu habe ... ein Recht, dein Leben zu lesen.“
Er küsste mich sanft auf die Nasenspitze und ich ließ es wider besseren Wissens zu. „Ich wollte, dass du es mir erzählst!“
Er fing mein Gesicht mit beiden Händen ein und zwang mich, ihn anzusehen. „Du bist wütend, enttäuscht von deinem bisherigen Leben. Du wolltest für uns kämpfen, für unsere Liebe. Du wolltest eine Entscheidung treffen“, erinnerte er mich mit melodischer Stimme an mein Vorwort, an die Gründe für mein Buch.
„ Wollte ich das wirklich? – Ich hatte eher den Eindruck, dass ich insgeheim auf eine zweite Chance gehofft hast“ , lockte mein Verstand. „Die Chance, die Gabriel mir mit Adam geboten hat.“
In Gedanken verloren schüttelte ich meinen Kopf leicht.
„ Triff deine Entscheidung!“, forderte mich mein Erzengel auf.
Ich schüttelte den Kopf deutlicher und meine Gefühle verkrallten sich ineinander. „Mach denselben Fehler nicht noch einmal!“
„ Jetzt!“, präzisierte er seine Forderung.
„ Bring mich zurück!“, traf ich meine Entscheidung, unterstützt von meinem Verstand und meiner inneren Stimme, die immer noch beleidigt war, weil Samiel mich instrumentalisiert hatte.
Abrupt ließ Samiel mich los und starrte mich mit einem Blick an, der all meine Emotionen zu Eis werden ließ. Ich erkannte an dem goldenen Flackern, dass rasende Eifersucht in ihm tobte.
„ Ich werde dich hier behalten!“, beschloss er mit ruhiger Stimme, als müsse er ein ungehorsames kleines Kind mit Hausarrest bestrafen. Er klang gefasst, doch sein Gesichtsausdruck strafte seine Stimme Lügen.
„ Das ist nicht fair!“, piepste ich mit einer Stimme, für die ich mich selber hasste.
Er schenkte mir ein Lächeln. „Das Leben ist nicht fair, Lilith! – Oder hattest du jemals diesen Eindruck?!“
Ich schwieg, gefangen in dumpfer Verzweiflung.
„ Vielleicht werde ich dich nicht für immer hier festhalten. Aber mindestens ein Menschenalter lang.“
Ich ahnte, was er dachte: „Zumindest solange, bis Adam tot ist.“ Aber ich wusste, er würde es niemals aussprechen. – „Und er wird mir niemals die Chance geben, nach der ich mich solange verzehrte habe.“ Ich brach innerlich langsam zusammen.
„ Was gibt dir das Recht das zu tun?“, ich klang weinerlich. Meiner Illusionen und meiner Liebe beraubt.
„ Macht!“, antwortete er ehrlich. „Schlicht und ergreifend.“
Ich begriff, dass Adam auf dem Sterbebett Recht behalten hatte. „Er wird dich niemals gehen lassen!“, hallte seine Stimme abermals in mir nach.
Samiel drehte sich zum Gehen um, als könne er meinen verletzten Gesichtsausdruck nicht mehr ertragen.
Ich begriff, dass es nicht bloß eine Drohung war. Er würde wirklich gehen, um mich in der Ewigkeit nach Gutdünken allein zu lassen.
Seine Schritte waren so schnell, als wenn er vor mir fliehen würde. „Vielleicht aus Angst, er könne sonst doch noch eine andere Entscheidung treffen.“
Mit einem Mal drangen die Erinnerung an einsame Jahrhunderte auf mich ein, als hätten sie nur auf solch eine Gelegenheit gewartet.
„ Wenn er jetzt geht, wann werde ich ihn wiedersehen? Wie lange werde ich dieses Mal ohne ihn sein müssen? Ohne alle?“
Ich taumelte und fand erst, als er schon fast außer Sichtweite war, die Kraft, leise zu bitten: „Lass mich nicht allein!“
Panik klang in meiner Stimme mit, durchdrang mich und schnitt mir ins Herz. Ich fühlte, wie sehr sie mich plötzlich im Griff hatte – viel zu
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