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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bandenkasse geplündert haben.«
    »Sie hatten nichts dagegen. Sie kennen doch die Bedingungen.«
    »Welche Bedingungen?«
    »Von nichts kommt nichts. Diese Bedingung. Wenn wir unseren Kopf nicht für unsere Leute riskieren, haben sie gewonnen. Kein Grund, auf die Luft zu warten. Wir brauchten bloß eine Leitung vom Gasherd ins Wohnzimmer zu legen, uns vors Free-Vee zu setzen und zu warten.«
    »Man wird dich umbringen«, sagte Richards. »Jemand wird dich verpfeifen, und du landest in irgendeinem Keller und sie prügeln die Scheiße aus dir heraus. Oder sie holen sich Stacey. Oder Ma.«
    Bradleys Augen blitzten Unheil verkündend auf. »Aber es wird ein schlimmer Tag kommen«, sagte er. »Ein sehr schlimmer Tag für die Maden mit den Bäuchen voller Roastbeef. Ich sehe einen blutigen Mond heraufziehen. Ich sehe Fackeln und Gewehre. Ein Maskottchen, das spricht und führt.«
    »Solche Dinge sehen die Leute schon seit zweitausend Jahren.«
    Der Fünf-Minuten-Summer ging los, und Richards tastete nach dem Türgriff. »Danke«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll …«
    »Mach schon«, sagte Bradley. »Bevor ich einen Strafzettel kriege.« Seine kräftige braune Hand packte den schwarzen Talar. »Und wenn sie dich erwischen, dann sieh zu, dass du ein paar mitnimmst.«
    Richards öffnete den Kofferraum und holte seinen Koffer heraus. Bradley reichte ihm wortlos einen tiefroten Gehstock.
    Der Wagen ordnete sich reibungslos in den fließenden Verkehr ein. Richards blieb am Straßenrand stehen und blickte ihm nach. Er hoffte, dass er dabei recht kurzsichtig wirkte. Die Rücklichter blinkten noch einmal kurz auf, bevor der Wagen abbog und aus seinem Blickfeld verschwand, zurück zu dem Parkhaus, wo Bradley ihn gegen den anderen tauschen und damit nach Boston zurückfahren würde.
    Seltsamerweise empfand Richards Erleichterung, und er begriff, dass er sich offenbar in Bradley hineinversetzte – wie froh er sein muss, dass er mich endlich los ist!
    Er stolperte mit Bedacht über die unterste Treppenstufe des Hoteleingangs, und der Portier half ihm.

… Minus 056 Countdown läuft …
     
    Zwei Tage vergingen.
    Richards spielte seine Rolle ausgezeichnet – sozusagen, als ob sein Leben davon abhinge. An beiden Abenden hatte er sein Abendessen im Hotelzimmer eingenommen. Er stand morgens um sieben auf, las in der Halle seine Bibel und machte sich danach auf den Weg zu seiner »Versammlung«. Das Hotelpersonal behandelte ihn mit der bequemen, verächtlichen Herzlichkeit, die man sich in einer Welt des legalisierten Mordes, des bakteriologischen Krieges in Ägypten und Südamerika und des berüchtigten Abtreibungsgesetzes in Nevada (hab eins, töte eins) für halb blinde, zerstreute Geistliche (die ihre Rechnungen bezahlten) bewahrt hatte. Der Papst war ein murmelnder alter Mann von sechsundneunzig Jahren, über dessen faselnde Edikte zu solchen Tagesereignissen bei den humorvollen Meldungen am Ende der Neunzehn-Uhr-Nachrichten berichtet wurde.
    Richards hielt seine Einmann-»Versammlungen« in einer gemieteten Kabine der Stadtbibliothek ab. Hinter verschlossenen Türen las er Literatur zur Umweltverschmutzung. Es gab kaum jüngere Informationen als aus dem Jahr 2002. Was er fand, ließ sich kaum mit dem vereinbaren, was früher geschrieben worden war. Wie gewöhnlich hatte die Regierung etwas verspätet, aber deswegen nicht weniger wirkungsvoll die Tatsachen vertuscht.
    Mittags ging er in ein kleines Restaurant an der Straßenecke, nicht weit von seinem Hotel entfernt. Er stieß unterwegs immer wieder mit Leuten zusammen und entschuldigte sich höflich. Einige quittierten dies mit einem freundlichen: »Aber das macht doch nichts, Father.« Die meisten fluchten nur beiläufig und schoben ihn zur Seite.
    Die Nachmittage verbrachte er in seinem Zimmer, und beim Abendessen sah er sich die Menschenjagd an. Er hatte vier Kassetten morgens, auf dem Weg in die Bibliothek, auf den Weg gebracht. Die Weitersendung von Boston aus schien sauber zu funktionieren.
    Die Produzenten der Sendung hatten eine neue Taktik entwickelt, um seine Luftverschmutzungsbotschaften zu übertönen. (Er versuchte es mit grimmiger Entschlossenheit immer wieder – vielleicht konnte er wenigstens die Menschen erreichen, die von den Lippen lesen konnten.) Neuerdings wurde seine Stimme von Publikumsreaktionen erstickt: Schreie, Jubelrufe, Obszönitäten und Schmähungen. Im Verlauf seiner Rede wurde das Gekreisch immer hysterischer, bis

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