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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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langsam wieder herausgezogen. Eine farblose Flüssigkeit tropfte auf Bradleys Wange. Sein Auge wirkte verbeult, schlaff.
    »Bist du der Mann?«
    »Steck’s dir in den Arsch.«
    Ein elektrischer Schlagstock berührte Bradleys Nacken. Bradley schrie auf, und die Haare standen ihm zu Berge. Jetzt sah er aus wie die Karikatur eines Schwarzen, ein supermoderner Stepin Fetchit. »Na, bist du der Mann, kleiner Bruder?«
    »Nasenfilter verursachen Krebs«, sagte Bradley. »Ihr weißen Schweine seid doch innerlich alle verfault.«
    Sein zweites Auge wurde durchstochen. »Bist du der Mann?«
    Der blinde Bradley lachte sie aus.
    Einer der Kapuzenmänner gab den anderen ein Zeichen, und Bobby und Mary Cowles kamen fröhlich in den Raum gehüpft. Sie tanzten um Bradley herum und sangen: »Wer hat Angst vorm bösen Wolf, vorm bösen Wolf, vorm bösen Wolf?«
    Bradley schrie und wand sich auf dem Stuhl. Es sah aus, als wollte er seine Hände zu einer abwehrenden Geste heben. Der Gesang wurde lauter und lauter und hallte jetzt mehr. Die Kinder verwandelten sich. Ihre Köpfe wurden länger und länger und färbten sich blutrot. Ihre Münder standen offen, und in den Schlünden, die sich auftaten, blitzten rasiermesserscharfe Fangzähne auf.
    »Ich sag’s euch!«, schrie Bradley. »Ich sag’s euch! Ich sag’s euch! Ich bin nicht der Mann! Ben Richards ist der Mann! Ich sag’s euch! Gott … oh … G-G-Gott …«
    »Wo ist der Mann, kleiner Bruder?«
    »Ich sag’s euch. Ich sag’s euch. Er ist in…«
    Aber seine Worte gingen im Gesang unter. Sie stürzten sich gerade auf Bradleys hochgereckten, sehnigen Hals, als Richards schweißgebadet aufwachte.

… Minus 053 Countdown läuft …
     
    Er war in Manchester nicht mehr sicher.
    Er wusste nicht, warum er plötzlich dieses Gefühl hatte, ob es an Laughlins brutalem Ende lag oder an dem Traum oder ob es nur eine Vorahnung war.
    Am Dienstagmorgen blieb er in seinem Zimmer und ging nicht in die Bibliothek. Er hatte das Gefühl, als wäre jede Minute, die er hier blieb, sein Untergang. Wenn er aus dem Fenster blickte, sah er in jedem alten Bettler, in jedem schlampigen Taxifahrer einen der Jäger mit Kapuze. Visionen von Bewaffneten, die sich leise den Hotelflur entlang auf seine Tür zu schlichen, quälten ihn. Es war ihm, als hätte er eine große Uhr im Kopf, die tickte.
    Kurz nach elf Uhr hatte er seine Unentschlossenheit überwunden. Er konnte unmöglich bleiben. Er wusste, dass sie Bescheid wussten. Er nahm seinen Blindenstock und stolperte unbeholfen zum Fahrstuhl, um in die Empfangshalle hinunterzufahren.
    »Gehen Sie spazieren, Father Grassner?«, fragte der Tages-Portier mit dem üblichen freundlichen, verächtlichen Lächeln.
    »Ja, ich habe heute frei«, sagte Richards, wobei er die linke Schulter des Empfangschefs fixierte. »Gibt es ein Kino in dieser Stadt?«
    Er hatte inzwischen mindestens zehn gesehen, und in acht davon liefen 3-D-Perverto-Filme.
    »Nun ja«, sagte der Empfangschef vorsichtig. »Es gibt das Center. Ich glaube, da zeigen sie Walt-Disney-Filme und so …«
    »Das wäre toll«, sagte Richards kurz angebunden und stieß beim Hinausgehen gegen eine Topfpflanze.
    Zwei Häuserblocks vom Hotel entfernt ging er in eine Apotheke und besorgte sich Mullbinde und zwei billige Aluminiumkrücken. Der Verkäufer verpackte seine Einkäufe in eine lange Wellpapp-Schachtel, und an der nächsten Straßenecke erwischte er ein Taxi.
    Der Wint stand an demselben Platz, an dem er zuletzt gestanden hatte, und falls man ihm im Parkhaus einen Hinterhalt gelegt hatte, konnte Richards ihn nicht entdecken. Schnell stieg er in den Wagen und startete den Motor. Er zögerte kurz, als ihm einfiel, dass er keinen Führerschein auf irgendeinen Namen besaß, der ihn nicht verraten würde, aber er ließ den Gedanken fallen. Er glaubte nicht, dass seine neue Verkleidung ihn bei genauerer Prüfung wirklich schützen würde. Sollte er auf eine Straßensperre stoßen, würde er versuchen, sie zu durchbrechen. Er würde dabei zwar getötet werden, aber er würde ja sowieso getötet werden, wenn man ihn erkannte.
    Er warf die Brille von Ogden Grassner ins Handschuhfach und fuhr los. Als er das Parkhaus verließ, winkte er dem Jungen am Schalter kurz zu, aber der blickte kaum von dem Pornomagazin hoch, in dem er gerade las.
    Am Nordrand der Stadt hielt er bei einer Tankstelle, um den Wagen mit neuer Pressluft auffüllen zu lassen. Der Tankwart war ein pubertierender Junge, sah vor Akne aus wie

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