Menschenjagd
den Straßensperren.
»Bei Lewiston«, sagte sie mit unglücklicher und ängstlicher Miene. »Da haben sie die andere Mad… Ihren Freund erwischt.«
»Wie weit ist das von hier?«
»Dreißig Meilen, vielleicht auch mehr.«
Parrakis war weiter gekommen, als Richards es sich hätte träumen lassen.
»Werden Sie mich vergewaltigen?«, fragte Amelia Williams derart unvermittelt, dass Richards beinahe lauthals gelacht hätte.
»Nein«, sagte er und fügte nüchtern hinzu: »Ich bin verheiratet.«
»Ja, ich habe sie gesehen«, bemerkte sie mit einem süffisanten Zweifeln, und Richards hatte große Lust, ihr eine reinzuhauen. Friss Abfall, du Schlampe. Töte erst mal eine Ratte. Töte erst mal mit deinem Kehrbesen eine Ratte, die aus deinem Brotkasten huscht, und dann werden wir sehen, wie du über meine Frau sprichst.
»Darf ich hier aussteigen?«, fragte sie flehend, und er empfand so etwas wie Mitleid für sie.
»Nein«, sagte er. »Sie sind meine Versicherung, Mrs. Williams. Ich muss nach Voigt Fields, einem Flughafen, der in Derry liegt, und Sie werden dafür sorgen, dass ich dort hinkomme.«
»Aber das sind hundertfünfzig Meilen!«, jammerte sie.
»Mir hat man gesagt, es wären hundert.«
»Das stimmt nicht. Sie werden niemals so weit kommen.«
»Vielleicht doch«, sagte er und sah ihr offen ins Gesicht. »Und Sie werden es auch schaffen, wenn Sie mitspielen.«
Sie fing wieder an zu zittern, sagte aber nichts. Sie wirkte wie eine Frau, die darauf wartet aufzuwachen.
… Minus 044 Countdown läuft …
Sie fuhren durch den wie Fackeln brennenden Herbst nach Norden.
Die Bäume waren so weit im Norden noch nicht von den giftigen Abgasen Portlands, Manchesters und Bostons getötet worden, ihre Blätter leuchteten in allen Schattierungen von Gelb, Rot und strahlendem Purpur. Sie weckten in Richards eine schmerzliche Melancholie. Es war eine Empfindung, die er an sich nicht kannte und die er vor zwei Wochen noch für unmöglich gehalten hätte. In einem Monat würde die ganze Landschaft unter einer Schneedecke liegen.
Alles endete im Herbst.
Sie schien seine Stimmung zu spüren und schwieg. Die Fahrtgeräusche füllten das Schweigen zwischen ihnen und lullten sie ein. Bei Yarmouth überquerten sie einen Fluss; danach führte die Straße endlos durch den Wald. Unterwegs entdeckte er bloß ein paar Wohnwagen und armselige Hütten, bei denen das Klo noch außen angebaut war. (Trotzdem konnte man immer die Free-Vee-Antenne sehen, entweder auf durchhängenden Fensterbänken, von denen die Farbe abgeblättert war, oder neben verrotteten Haustüren, wo sie in der Sonne blinkten.) Dann kamen sie nach Freeport.
Unmittelbar vor der Stadt parkten drei Streifenwagen. Die Cops hielten so etwas wie eine Konferenz am Straßenrand ab. Die Frau wurde steif wie ein Brett, und ihr Gesicht nahm eine verzweifelte Blässe an. Richards blieb völlig ruhig.
Sie fuhren vorbei, ohne dass die Cops auf sie aufmerksam wurden, und die Frau sank in sich zusammen.
»Wenn sie den Verkehr kontrolliert hätten, wären sie jetzt wie der Blitz hinter uns her«, sagte Richards beiläufig. »Warum schreiben Sie sich nicht mit Leuchtfarbe BEN RICHARDS IST IN DIESEM AUTO auf die Stirn?«
»Warum lassen Sie mich nicht frei?«, platzte es aus ihr heraus, und im gleichen Atemzug: »Haben Sie einen Joint?«
Reiche Leute rauchen Dope. Bei dem Gedanken lachte er bitter und schüttelte den Kopf.
»Sie lachen mich aus?«, fragte sie beleidigt. »Mann, Sie haben wirklich Nerven, Sie feiger, kleiner Mörder! Sie erschrecken mich halb zu Tode und haben wahrscheinlich vor, mich zu töten, genauso wie Sie die armen Jungs in Boston umgebracht haben …«
»Es war ein ganzer Haufen von armen Jungs«, sagte Richards. »Sie wollten mich umbringen. Das ist ihr Job.«
»Töten für Geld. Sie würden doch alles für Geld tun. Sie wollen das Land in Aufruhr versetzen. Wissen Sie, warum Sie keine anständige Arbeit finden? Weil Sie zu faul dazu sind! Leute wie Sie spucken doch nur auf alles, was anständig ist.«
»Sind Sie denn anständig?«, fragte Richards.
»Ja!«, rief sie heftig. »Das ist ja der Grund, warum Sie mich ausgesucht haben. Weil ich hilflos war und … und anständig. Damit Sie mich ausnutzen können, damit Sie mich in den Dreck ziehen und auslachen können, wenn ich genauso tief unten bin wie Sie.«
»Wenn Sie wirklich so anständig sind, wie kommt es denn, dass Sie sich einen schicken Wagen für sechstausend Neue Dollar leisten
Weitere Kostenlose Bücher