Menschenjagd
können, während meine kleine Tochter an Grippe stirbt?«
»Was …« Sie sah ihn verblüfft an. Ihr Mund öffnete sich, um etwas zu entgegnen, aber dann klappte er wieder zu. »Sie sind ein Feind des Network«, sagte sie nach einer Weile. »Das habe ich im Free-Vee gehört. Ich hab ein paar von den hässlichen Dingen gesehen, die Sie getan haben.«
»Wollen Sie wissen, was hässlich ist?«, fragte Richards und zündete sich eine Zigarette aus der Packung auf dem Armaturenbrett an. »Ich werd’s Ihnen sagen. Es ist hässlich, wenn man auf die schwarze Liste gesetzt wird, nur weil man seine Arbeit bei General Atomics gekündigt hat, um nicht steril zu werden. Es ist hässlich, zu Hause rumsitzen und zusehen zu müssen, wie die eigene Frau das Geld für Lebensmittel auf dem Rücken liegend verdient. Es ist hässlich zu wissen, dass das Network jedes Jahr Millionen Menschen tötet, indem es die Luft verpestet und sich weigert, Nasenfilter zu produzieren, die nur sechs Dollar das Stück kosten würden.«
»Sie lügen«, sagte sie. Die Knöchel ihrer Hand traten weiß hervor.
»Wenn das hier vorbei ist, können Sie wieder nach Hause«, sagte er. »Dann können Sie sich in Ihr nettes Wohnzimmer setzen, einen Joint anzünden, sich die Birne vollknallen und sich darüber freuen, wie hübsch Ihr geputztes Silber in Ihrer Vitrine glänzt. Niemand, der in Ihrer Nachbarschaft die Ratten mit dem Besenstiel bekämpft oder neben die Hintertreppe scheißt, weil die Toilette nicht funktioniert. Ich hab ein fünfjähriges Mädchen kennen gelernt, das an Lungenkrebs stirbt. Na, ist das hässlich oder nicht? Was glauben …«
»Hören Sie auf!«, schrie sie ihn an. »Sie reden unanständig!«
»Das ist richtig«, sagte er und blickte aus dem Fenster auf die vorbeifliegende Landschaft. Hoffnungslosigkeit erfüllte ihn wie kaltes Wasser. Es gab keine Verständigungsmöglichkeit mit diesen schönen Auserwählten. Sie lebten ganz oben, wo die Luft fast zu dünn zum Atmen war. Plötzlich verspürte er den Drang, die Frau ranfahren zu lassen, ihr die Sonnenbrille aus dem Gesicht zu schlagen, sodass sie auf dem Asphalt zersplitterte, sie am Straßenrand durch den Dreck zu schleifen, sie den Staub schmecken zu lassen, sie zu vergewaltigen, auf ihr rumzutrampeln, ihre Zähne fliegen zu lassen, sie nackt auszuziehen und dann zu fragen, ob sie langsam eine Vorstellung von dem Bild bekäme, das jeden Tag auf Kanal Eins präsentiert wurde, vierundzwanzig Stunden lang und ohne Nationalhymne am Anfang und Ende des Programms.
»Das ist richtig«, murmelte er. »Was bin ich doch für ein unanständiger Kerl.«
… Minus 043 Countdown läuft …
Sie kamen weiter, als sie nach Richards’ Ansicht hätten kommen dürfen. Sie erreichten eine hübsche kleine Stadt am Meer namens Camden. Sie war über hundert Meilen von dem Punkt entfernt, an dem Richards Amelia Williams angehalten hatte.
»Hören Sie«, hatte er ernst zu ihr gesagt, als sie in die Hauptstadt des Staates, Augusta, fuhren. »Es besteht die Möglichkeit, dass sie uns hier schnappen. Ich habe kein Interesse daran, Sie zu töten, kapiert?«
»Ja«, hatte sie gesagt. Und dann, mit hasserfüllter Stimme: »Sie brauchen mich als Geisel.«
»Richtig. Wenn also ein Polizeiwagen hinter uns aufkreuzt, fahren Sie an den Straßenrand und halten. Sofort. Sie werden die Tür aufmachen und sich hinauslehnen. Aber nur hinauslehnen, ihr Hintern wird diesen Sitz nicht verlassen, verstanden?«
»Ja.«
»Dann rufen Sie laut: Benjamin Richards hält mich als Geisel fest. Wenn Sie uns nicht durchfahren lassen, wird er mich umbringen.«
»Und Sie glauben, dass das funktioniert?«
»Das sollte es besser«, sagte er spöttisch. »Schließlich geht es um Ihren Arsch.«
Sie biss sich auf die Lippe und schwieg.
»Ich glaube schon, dass es funktioniert. Es werden sofort einige Leute mit Kameras da sein, um sich etwas Geld von der Spiele-Gesellschaft zu verdienen, vielleicht sogar den Zapruder-Preis zu gewinnen. Bei so viel öffentlicher Aufmerksamkeit müssen sie sich an die Regeln halten. Tut mir leid, dass Sie keine Gelegenheit haben werden, uns beide im Kugelhagel sterben zu sehen, sodass man ehrfürchtig von Ihnen als Ben Richards’ letztem Opfer reden kann.«
»Warum sagen Sie solche Sachen?«, brach es aus ihr heraus.
Er antwortete nicht, sondern rutschte so weit in den Sitz hinunter, dass er gerade noch über das Armaturenbrett sehen konnte, und wartete darauf, dass er das erste Blaulicht
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