Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Brusttaschen trugen. Frauen wie Amelia Williams, für einen Stadtbummel gekleidet. Ihre auf zahllose Weise unterschiedlichen Gesichter glichen sich alle in einer Hinsicht: Sie waren auf seltsame Weise unvollständig. Wie Bilder, die statt Augen Löcher im Gesicht hatten, oder wie ein Puzzlespiel, in dem ein winziges Teilchen fehlt. Es war der Mangel an Verzweiflung, dachte Richards. In diesen Bäuchen heulten keine Wölfe. Ihre Gedanken wurden nicht von verrückten Träumen und wahnsinnigen Hoffnungen beherrscht.
    Diese Leute standen auf der rechten Seite der Straße, der Seite mit der Kombination aus Jachthafen und Country Club, an der sie gerade vorbeifuhren.
    Auf der anderen Straßenseite, der linken, standen die Armen. Rote Nasen mit geplatzten Äderchen. Flache, hängende Brüste. Strähnige Haare. Weiße Socken. Offene Wunden. Pickel. Die verständnislosen Gesichter und offen stehenden Münder der Idiotie.
    Auf dieser Seite war ein großes Polizeiaufgebot, und es kamen immer mehr hinzu. Richards war nicht sonderlich überrascht über ihr schnelles Auftauchen und ihr brutales Vorgehen. Selbst hier, in der absoluten Provinz, war man mit Schlagstöcken und Schusswaffen rasch zur Hand. Man ließ die Hunde in ihren Zwingern hungern. Die Armen brechen in die im Herbst und Winter verriegelten Sommerhütten ein. Die Armen überfallen Supermärkte in Kinderbanden. Die Armen schmieren bekanntlich obszöne Sprüche mit Rechtschreibfehlern auf Schaufensterscheiben. Die Armen haben ständig juckende Arschlöcher, und der Anblick von Lederpolstern und Chrom und Zweihundert-Dollar-Anzügen und dicken Bäuchen füllt bekanntlich die Münder der Armen vor Zorn mit Geifer. Und die Armen brauchen ihren Jack Johnson, ihren Muhammad Ali, ihren Clyde Barrow. Sie standen da und schauten zu.
    Hier auf der rechten Seite, Leute, haben wir die Sommerfrischler, dachte Richards. Fett und schlampig, aber schwer gepanzert. Auf der linken Seite, mit einem Kampfgewicht von schlappen sechzig Kilo – aber ein aggressiver Kämpfer mit einem rollenden Auge, das nicht von Pappe ist – haben wir die Hungrigen Weißbrote. Sie pflegen die Taktik der Hungerleider; sie würden Christus persönlich überfallen, um ein Pfund Salami zu ergattern. Die Polarisierung macht vor dem letzten Provinznest nicht Halt. Nehmen Sie sich vor diesen Kontrahenten in Acht. Sie bleiben nicht im Ring; sie neigen dazu, auf den Zehn-Dollar-Sitzen weiterzukämpfen. Können wir einen Sündenbock für beide Parteien finden?
    Langsam, mit fünfzig Sachen, fuhr Ben Richards zwischen ihnen hindurch.

… Minus 038 Countdown läuft …
     
    Eine Stunde verging. Es war vier Uhr nachmittags. Schatten krochen über die Straße.
    Richards war außer Sicht den Sitz hinuntergerutscht und kämpfte – allerdings nicht sehr erfolgreich – gegen eine Ohnmacht an. Er hatte sich umständlich das Hemd aus der Hose gezogen, um die neue Wunde zu untersuchen. Die Kugel hatte einen tiefen, hässlichen Kanal in seine rechte Hüfte gerissen, und er hatte ziemlich viel Blut verloren. Im Augenblick war die Wunde zwar verschorft, aber nur widerwillig. Sobald er sich heftig bewegen musste, würde sie wieder aufreißen und noch viel mehr bluten. Das spielte keine Rolle. Sie würden ihn in die Luft jagen. Angesichts dieses massiven Waffenlagers war sein Plan ein Witz. Er würde einfach weitermachen und improvisieren, bis es einen »Unfall« gab und der Wagen in die Luft gejagt würde, sodass nur noch verbogene Schrauben und Metallstücke übrig bleiben würden (»… furchtbarer Unfall … der schuldige Polizeibeamte vom Dienst suspendiert bis zur vollständigen Aufklärung des Falles … wir bedauern den Verlust unschuldigen Lebens…« – all dies vergraben in der letzten Nachrichtensendung des Tages, zwischen dem Börsenbericht und der letzten Ankündigung des Papstes), aber es war nur ein Reflex.
    Er machte sich zunehmend Sorgen um Amelia Williams, die Hausfrau, die den Fehler begangen hatte, ausgerechnet am Mittwochvormittag zum Einkaufen zu fahren.
    »Da vorn stehen Panzer«, sagte sie plötzlich. Ihre Stimme klang überdreht, beinahe hysterisch. »Können Sie sich das vorstellen? Können Sie …« Sie fing an zu weinen.
    Richards wartete. Schließlich sagte er: »In welcher Stadt sind wir jetzt?«
    »A-auf dem Schild steht W-W-Winterport. Oh, ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr warten, bis sie es tun. Ich kann nicht!«
    »Okay«, sagte er.
    Sie blinzelte langsam und schüttelte kaum

Weitere Kostenlose Bücher