Menschenjagd
Moment stehen, in dem er sich vermutlich bewusst machte, dass ihn jetzt über fünfhundert Millionen Menschen beobachteten, dann zog er sich wieder in die Anonymität hinter den Barrikaden zurück.
»Weiter geht’s.«
Der Wagen kroch bis zum Megafon vor, und als die Fahrertür sich mit ihm auf einer Höhe befand, öffnete sie die Tür und zog es hinein. Es war rot und weiß gestreift, und auf die Seite waren über einem Blitz die Initialen G und A geprägt.
»Okay«, sagte er. »Wie weit ist es noch bis zum Hauptgebäude?«
Sie kniff die Augen zusammen. »Ich schätze vierhundert Meter.«
»Und wie weit bis zum Parkplatz 16?«
»Halb so weit.«
»Gut. Das ist sehr gut. Yeah.« Er spürte, dass er sich nervös auf die Unterlippe biss, und versuchte, damit aufzuhören. Der Kopf tat ihm weh, und sein ganzer Körper schmerzte von dem dauernden Adrenalinschub der letzten Stunden. »Fahren Sie weiter. Bis zum Parkplatz 16, und halten Sie genau davor.«
»Und dann?«
Er lächelte nervös und unglücklich. »Das«, sagte er, »wird der Schauplatz von Richards’ letztem Gefecht sein.«
… Minus 036 Countdown läuft …
Als sie den Wagen am Eingang des Parkplatzes anhielt, ertönte sofort das Megafon: »FAHREN SIE WEITER, DIE FLUGHAFENPOLIZEI ERWARTET SIE DRINNEN. WIE ABGEMACHT!«
Richards hob zum ersten Mal sein Megafon. »ZEHN MINUTEN«, sagte er. »ICH MUSS NACHDENKEN.«
Wieder Schweigen.
»Merken Sie nicht, dass Sie sie geradezu zwingen, zu handeln?«, fragte sie mit merkwürdig beherrschter Stimme.
Er stieß ein unheimliches, dünnes Kichern aus, das wie das Pfeifen eines Teekessels klang. »Sie wissen, dass ich mich darauf vorbereite, sie zu bescheißen. Sie wissen bloß noch nicht wie.«
»Das können Sie nicht«, sagte sie. » Verstehen Sie das denn immer noch nicht?«
»Vielleicht kann ich’s doch«, sagte er.
… Minus 035 Countdown läuft …
»Hören Sie zu:
Als das Network mit den Spielen begann, sagten die Leute, dass es die besten Unterhaltungssendungen wären, die die Welt je gesehen hätte, denn so etwas hätte es vorher noch nie gegeben. Aber so originell ist es gar nicht. Schon die Gladiatoren in Rom haben dasselbe gemacht. Und es gibt noch so ein Spiel: Poker. Beim Poker ist das beste Blatt ein Royal Flush in Kreuz. Und das spannendste Pokerspiel ist Stud-Poker, bei dem vier von den fünf Karten offen auf dem Tisch liegen, die fünfte aber verdeckt ist. Mit fünf oder zehn Cents kann man im Spiel bleiben. Es kostet Sie vielleicht einen halben Dollar, das Blatt des anderen zu sehen. Doch wenn Sie die Einsätze erhöhen, dann wird diese verdeckte Karte immer größer und größer. Wenn dann, nach Dutzenden von Runden, die Ersparnisse Ihres Lebens, Ihr Haus und Ihr Auto auf dem Spiel stehen, ist die Karte größer als der Mount Everest. Bei der Menschenjagd ist es genauso, nur dass ich eigentlich kein Geld haben sollte, um einen Einsatz zu machen. Die anderen haben die Männer, die Waffen und viel Zeit. Und wir spielen mit ihren Karten, ihren Chips und in ihrem Kasino. Wenn ich gefasst werde, muss ich aussteigen. Aber vielleicht habe ich die Karten ein wenig zurechtgemischt. Ich habe den Nachrichtensender von Rockland informiert, das ist meine Kreuz-Zehn. Sie mussten mir freies Geleit geben, weil uns jeder zusehen konnte. Nach der ersten Straßensperre hatten sie keine Chance mehr, uns still und heimlich aus dem Weg zu räumen. Das ist irgendwie komisch, denn es ist ja gerade das Free-Vee, das dem Network seine Schlagkraft verleiht. Wenn man etwas im Free-Vee gesehen hat, dann muss es wahr sein. Wenn nun das ganze Land gesehen hätte, wie die Polizei meine Geisel ermordet – eine wohlhabende Haus- und Ehefrau -, würden es alle glauben müssen. Das können sie nicht riskieren; das ganze System arbeitet mit einem großen Vertrauensvorschuss seitens des Publikums, und sie sind davon abhängig. Lustig, nicht wahr? Meine Leute sind hier. Schon vorhin auf der Straße hat es Schwierigkeiten gegeben. Wenn die Polizisten und Jäger alle ihre Waffen auf uns richten, könnte etwas sehr Hässliches passieren. Ein Mann hat mir mal den Rat gegeben, mich immer an meine Leute zu halten. Er wusste gar nicht, wie recht er damit hatte. Ein Grund, warum sie mich bis jetzt mit Samthandschuhen angefasst haben, liegt sicher darin, dass hier überall meine Leute rumstehen.
Meine Leute sind der Kreuz-Bube.
Die Kreuz-Dame bei der ganzen Geschichte sind Sie.
Und ich bin der König, der schwarze Mann
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