Menschenkenntnis
Klang seiner Stimme. Diese Erfahrungen werden an unsere Großhirnrinde weitergeleitet, werden dort verarbeitet und führen uns schließlich zu einer Reaktion. Automatisch verknüpft werden dabei unsere Wahrnehmungen mit unserer individuellen Lerngeschichte: mit Erfahrungen, Einstellungen und Überzeugungen, Erwartungen und Interessen. All dies führt dazu, dass wir unsere Umwelt auf ganz bestimmte Weise wahrnehmen - eingefärbt und stark selektiv. Wir wählen nämlich unbewusst auch nur bestimmte Dinge aus unserer Umwelt aus. Vieles gelangt gar nicht erst in unser Wahrnehmungsfeld. So erklärt sich, warum wir manche Gegenstände nicht gesehen oder auch Aussagen von anderen nicht gehört haben, während ein anderer Mensch in derselben Situation diese Dinge registriert hat, aber wiederum vielleicht Aspekte, die uns aufgefallen sind, ausgeblendet hat.
Wichtig
Wahrnehmung ist immer ein stark subjektiver und selektiver Prozess.
Was wir aus unserer Wahrnehmung ableiten
Wenn wir einen anderen Menschen treffen, nehmen wir sein verbales und nonverbales Verhalten wahr: Wie bewegt er sich, wie und über was spricht er, wie geht er mit mir um? Aus diesen Informationen leiten wir dann Beweggründe und Erklärungen für sein Verhalten ab. Wir schreiben ihm folglich ganz bestimmte Eigenschaften zu und entwickeln Annahmen über sein künftiges Verhalten - ein Vorgang, den man in der Psychologie Attribution nennt.
Beispiel: Der ist doch bestimmt …
Der Herr mit Krawatte uns schräg gegenüber in der S-Bahn sieht streng und akkurat aus. Sein Notebook ruht auf seinen Oberschenkeln. Er ist gerade in die FAZ vertieft, als sein Handy schrill klingelt. Es geht um irgendwelche Investments. Sofort schießt uns durch den Kopf: Der ist bestimmt Banker.
Blitzschnell haben wir ein Urteil über diesen fremden Menschen parat. Und oft finden wir unsere Schlussfolgerungen und Erwartungen sogar bestätigt - kein Wunder, denn wir suchen nach Bestätigung! Wir fokussieren uns auf die Handlungen und Äußerungen, die unser Urteil untermauern.
Beispiel: Bestätigt!
Unser Krawattenträger spricht nun von einem Termin in der Bank. Klar, wussten wir's doch: ein Banker! In Wirklichkeit dreht sich das Gespräch vielleicht um eine rein private Angelegenheit und der Mann in Anzug und Krawatte ist Wirtschaftsingenieur auf dem Weg zu einem Kundentermin …
Es ist natürlich leichter, schnell einen Haken hinter einen bestätigten ersten Eindruck zu setzen und damit den Menschen kategorisiert zu haben, als nach weiteren Kriterien Ausschau zu halten, die unser Bild möglicherweise verändern würden. Versuchen Sie dennoch im Sinne einer besseren Menschenkenntnis, umfassender und länger zu beobachten und Ihre Einschätzung infrage zu stellen.
Übung: Schulen Sie Ihre Wahrnehmung
Beobachten Sie andere Menschen: auf Ihrem Weg zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Schlangestehen vor einer Kasse oder auf einer Veranstaltung. Nehmen Sie möglichst viele Facetten wahr: Kleidung, Mimik, Accessoires, Körperhaltung, Gestik … Was geht Ihnen dabei durch den Kopf? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Ihren Wahrnehmungen? Überprüfen Sie, wenn möglich, den Wahrheitsgehalt Ihrer Vermutungen. Seien Sie dabei bewusst auf der Suche nach Fehleinschätzungen. Fragen Sie auch Ihre Begleitung, was sie bei diesen Menschen wahrgenommen hat und gleichen Sie Ihre Ergebnisse ab.
Der erste Eindruck
Menschen wirken auf uns. Sie rufen in uns Ideen, Vorstellungen, Sympathie oder Antipathie hervor. Wir spüren sofort, ob wir einem Menschen trauen und ihn für kompetent halten oder nicht. Das alles passiert innerhalb weniger Sekunden. Wir müssen dazu gar nicht mit einem Menschen ins Gespräch kommen, um einen ersten Eindruck von ihm zu haben. Seine nonverbalen Signale, die Körperhaltung, seine Kleidung, sein Gang, der Blick, seine Mimik und Gestik senden unsalles, was wir für eine schnelle Bewertung brauchen. Doch nicht immer bewahrheitet sich unser erstes Bild. Manchmal müssen wir nach einem ersten Austausch mit dem Fremden feststellen, dass wir unser Urteil - zumindest in Teilen - revidieren müssen.
Beispiel: Ein erster Eindruck
Robert steht zu Beginn des zweitägigen Seminars abseits und beobachtet. Dann setzt er sich auf einen Stuhl und blättert in den Unterlagen. Roberts Mine ist versteinert, sein Blick skeptisch. Kontakt zu anderen Seminarteilnehmern sucht er nicht.
Der erste Eindruck, den Robert bei vielen anderen Teilnehmern hinterlässt, ist
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