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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Beifallsrufen der sich zusammendrängenden Besucher flog minutenlang ein zwar größtenteils beschädigtes, jedoch recht vielfältiges Sortiment von Hannes’ Warenangebot durch die Luft und zerschellte krachend auf den dafür vorgesehenen Steinplatten. Als das letzte Teil, ein grüner Terrakottafrosch ohne Augen, zerplatzt war, ließ Hannes die Rampe herunter, und wir durften endlich absteigen.
    »Haben die Kinder denn nun ihren Spaß gehabt?«, fragte Jörg mit einem maliziösen Lächeln, während Nicki schon zum Besen griff.
    Doch, es hatte Spaß gemacht, mal so richtig was kaputt schmeißen zu können! Seien wir doch ehrlich: Wer hat denn nicht schon irgendwann aus Wut oder Frust den nächstbesten Gegenstand in der Hand gehabt und dann auch tatsächlich dem durch die Tür verschwindenden Ehemann (halbwüchsigem Sohn, pubertierendem Teenager) hinterhergeworfen, aber erst, nachdem die Tür schon zu war. Verletzen will man ja niemanden, und mit dem Wurfgeschoss ist das immer so eine Sache; lieber nicht die Fernbedienung vom Videorecorder, das Feuerzeug tut’s auch und geht nicht gleich kaputt.
    Den Zuschauern schien es gefallen zu haben, es gab sogar vereinzelten Beifall, aber noch mehr Getuschel, wer denn das nun gewesen sei, doch sicher Verwandtschaft, war die eine von den jungen Leuten nicht sogar die Zwillingsschwester gewesen? Wohnte ja nicht mehr hier, und die Ähnlichkeit zwischen den beiden ist nie groß gewesen, aber irgendwie dann doch wieder, und der lange Dunkelhaarige neben ihr ist sicher der Freund, nicht wahr? Oder schon ihr Ehemann? Kriegt man ja gar nicht mehr mit, wenn sie woanders heiraten, man kann froh sein, dass sie’s überhaupt noch tun, so ganz das Richtige ist es ja doch nicht mit den wilden Ehen, aber eben modern, kann man nix gegen machen …
    Ein Polterabend dieser Größenordnung ist im Grunde genommen nichts anderes als Kirmes oder das alljährliche Stadtfest, mit dem einen Unterschied, dass man nichts zu bezahlen braucht. Einladungen werden nur an auswärts lebende Freunde verschickt, andere werden mündlich informiert, der Rest erledigt sich von selbst, weil die Mund-zu-MundPropaganda immer noch am besten klappt. Ich weiß das von unserer Putzfrau. Sie ist mit zwei Söhnen gesegnet, einer 19, der andere 23, und die sind jedes dritte Wochenende auf einem Polterabend, sofern er in einem der sieben Stadtteile stattfindet. Auf meine Frage, woher sie denn die ganzen Heiratskandidaten kennen würden, kam die lapidare Antwort: »Die muss man nicht kennen, da geht man einfach so hin.«
    Nachdem ich mich mit Steak und Brötchen (mein Kartoffelsalat war alle, kein Wunder, die übrigen Spender schienen nämlich den Nudelbestand aller ortsansässigen Geschäfte aufgekauft zu haben) an unseren Tisch gesetzt hatte, konnte ich mir endlich einen Überblick verschaffen und hatte das Gefühl, als seien hier auch einige Besucher ›einfach so‹ hingegangen. Die meisten Anwesenden kannte ich sowieso nicht oder allenfalls vom Sehen, wusste aber nicht, wer sie waren, andere wieder winkten mir zu, dann winkte ich zurück und musste mir erst von Katja sagen lassen, dass Britta früher oft auf unserer Terrasse gesessen hat und Daniel immer mitgefahren war, wenn ich die Zwillinge von der Schule abgeholt habe. Tatsächlich? Den hätte ich nie wieder erkannt. Na ja, war auch schon eine Weile her!
    Es gab aber auch ältere Herrschaften, wohl Jörgs Bekanntenkreis zuzuordnen, vielmehr dem seiner Eltern, denn Nicki wusste selber nicht, wer sie waren. Natürlich hatte ich gleich nach unserem furiosen Auftritt ihre Schwiegereltern begrüßt und bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass ich mir auch endlich so einen klassischen Rock mit Kellerfalte zulegen muss, weil man damit immer richtig angezogen ist.
    Zu wem das halbe Dutzend Kinder gehörte – zu alt, um schon ins Bett zu müssen, zu jung für Bier und Doppelkorn – weiß ich nicht, zwei waren wohl Ableger des Wirtes, die anderen unbekannter Herkunft, doch sie machten sich nützlich und fegten unermüdlich die Scherben zusammen. Und wieder auseinander.
    »Ich hol’ mir noch ’n Bier«, sagte Tom, »soll ich jemandem was mitbringen?«
    Ich hob den Finger. »Ja, mir bitte eine Weißweinschorle.«
    Sein Blick sprach Bände. »Bist du sicher? Der Körper besteht doch schon zu 96 Prozent aus Wasser, weshalb willst du noch mehr dazuschütten!«
    Er hatte ja Recht. »Also gut, dann eben pur.«
    Bevor er zurück war, kam Nicki. Ob ich denn jetzt mal ein paar

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