Menschenskinder
und strudeln mit den noch halb rohen fröhlich durcheinander. Und während die Hausfrau den runtergetropften Teig vom Fußboden kratzt, kocht das Wasser über!
Ein Spatzendrücker vereinfacht die ganze Methode. Man füllt den Teig in eine Art Quetsche, und wenn man die Griffe zusammenpresst, kommen aus den seitlichen kleinen Löchern lauter Würmchen heraus und fallen in den Topf. Richtige Schwaben, und hier in erster Linie männliche, die mit der vorangegangenen Prozedur ja nichts zu tun haben, lehnen diese Art der Zubereitung mit der Begründung ab, die Spätzle seien nicht locker genug.
Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit: Man geht in den nächsten Supermarkt und kauft eine Packung Echt schwäbische Hausmacher-Spätzle. Da Nicki, sofern sie überhaupt mal welche kocht, nur die In-neun-Minuten-servierfertigVariante bevorzugt, dürfte der Spatzendrücker eines jener Geschenke gewesen sein, die man bei passender Gelegenheit weitergibt. Von den Tortenplatten hat Katja auch eine abgekriegt …
Der erste größere Aufbruch setzte kurz vor Mitternacht ein. Einzelne Gäste waren schon früher gegangen, überwiegend ältere, bis auf jenes noch recht junge Ehepaar, das sich nach einem Telefonanruf Hals über Kopf verabschiedet hatte. »Wir müssen sofort nach Hause! Unser Babysitter wollte eben wissen, wo die Sektgläser stehen! Wir haben ihr zwar erlaubt, ihren Freund mitzubringen, aber doch keinen Alkohol!«
Einen Teil meiner Familie hatte ich wieder gefunden, nur wollte keine richtige Stimmung mehr aufkommen. Allenfalls noch beim harten Kern, der jetzt hinter dem Tresen stand und Hochprozentiges kippte. Anne und Eddie gehörten dazu, Sven, Jörg natürlich, weil er musste, seinen Grappa allerdings – dieser Banause! – heimlich mit Wasser verdünnte, Stefanie und Hannes, auch schon recht gut drauf, ein paar jüngere Leute, die ich alle nicht kannte, und Jörgs Vater, ebenfalls nicht mehr ganz nüchtern und deshalb gewillt, nunmehr deutsches Liedgut zum Vortrag zu bringen. Es wollte nur niemand zuhören. Ohnehin waren wir den ganzen Abend lang mit sehr bodenständiger Musik unterhalten worden, deren Zusammenschnitt nach allgemeiner Ansicht nur aus der ›Volkstümlichen Hitparade‹ stammen konnte und nicht so ganz dem Geschmack der meisten Gäste entsprach. Später musste Jörg zugeben, dass sein Vater für die musikalische Umrahmung des Abends verantwortlich und er, Jörg, froh darüber gewesen war, sich nicht auch noch darum kümmern zu müssen.
»So ein Tag, so wunderschön wie heute …« Der Tenor knödelte ein bisschen, doch bevor er weitersingen konnte, wurde er mit einem weiteren Grappa ruhig gestellt. Aber nicht lange. »So ein Tag, so wunderschö …«
»Vater, muss das denn sein? Wir wollen uns unterhalten.«
»Das könnt ihr trotzdem, mich stört das nicht. So ein Tag, so wunderschön wie …«
Vereinzelter Beifall war zu hören, amüsierte Zuhörer verlangten eine Wiederholung, also noch mal: »So ein Tag, so wunderschön wie heute …«
»… so ein Tag, der dürfte nie-hie vergehn!« Das war eine andere Stimme gewesen, etwas dunkler, mit mehr Volumen und amerikanischem Akzent.
»Sehr schön«, sagte Anne, »und nun geht ihr beide nach draußen und singt zusammen den Mond an, ja?«
Ob sie’s getan haben, weiß ich nicht, ich wurde plötzlich hundemüde und wollte bloß noch nach Hause. »Geht jemand mit?«
Erst wollte niemand, dann wollten Tom und Katja doch, und plötzlich hörte ich von Siggi den zweiten langen Satz an diesem Abend: »Ich habe den Kindern versprochen, dass wir morgen in den Zoo gehen, da muss ich wenigstens halbwegs ausgeschlafen sein. Wir kommen auch mit.« Karen wurde erst gar nicht gefragt, ich glaube, Emanzipation ist für sie immer noch ein Fremdwort.
Erst unterwegs fiel mir auf, dass ich hinter den beiden Paaren wie ein fünftes Rad am Wagen herumstolperte. »Hatte ich nicht auch mal einen Ehemann gehabt? Wo ist der denn abgeblieben?«
»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er gesagt, er will jetzt die Laterne anzünden«, erinnerte sich Katja. »Welche Laterne?«
»Wahrscheinlich die, die schon um neun Uhr nicht mehr da war.«
»Na, denn isses ja gut, denn hat er sie um elf gar nicht anstecken können.«
Schlaf ist für manche Menschen der fruchtbarste Teil ihres Daseins, deshalb bemühe ich mich auch, nie allzu spät aus dem Bett zu kommen. Hat man darüber hinaus das ganze Haus voller Logiergäste, die ab elf Uhr anfangen aufzustehen, dann
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