Menschenskinder
gegenfiel. Von Siggi, Karens aber schon sehr wortkargem Ehemann, hörte ich zum ersten Mal einen Satz mit mehr als zwölf Wörtern, nachdem er mit dem Ellbogen an eine Stahlstrebe geknallt war.
Plötzlich tönte eine blechern klingende Stimme: »Ich stehe jetzt am Friedhof, wie geht’s denn nun weiter?«
»Wo bist du genau? Vor’m alten Eingang oder bei der Leichenhalle?«
»Hier ist keine Halle.«
»Dann bist du falsch! Jetzt musst du erst ein Stück zurücksetzen, danach links einbiegen und nach ungefähr hundert Meter die Straße halb rechts nehmen. Wenn du vor dem Haupteingang stehst, meldest du dich wieder!«
Und ich hatte immer gedacht, bloß Polizisten haben Walkie-Talkies, Vorarbeiter auf dem Bau und natürlich die Bosse in amerikanischen Gangsterfilmen.
»Hoffentlich sind wir jetzt wirklich da, wo ich vermute«, sagte Steffi, während sich der Wagen wieder in Bewegung setzte, »Hannes hätte die Strecke doch erst mal mit dem Auto abfahren sollen.«
»Jetzt bin ich am Eingang«, quäkte es erneut.
»Sehr gut. Nun musst du nur noch so lange auf der Straße bleiben, bis rechts Papis Wegweiser kommt«, kommandierte Steffi.
»In Ordnung.« Und wenig später: »Wie sieht denn Papis Wegweiser aus?«
»Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn ja gar nicht gesehen. Irgendwas Handgemaltes eben.«
»Mit einer Laterne dran«, ergänzte ich. Steffi gab auch das weiter.
Im Schritttempo schaukelten wir so lange voran, bis der Wagen plötzlich scharf einbog und wir alle nach hinten geschleudert wurden. »Offenbar hat er das Schild gefunden!«, kam Annes Stimme von irgendwo unten auf dem Boden. Gleich darauf wollte sie von Steffi wissen, wann in dem Wagen zum letzten Mal Staub gesaugt worden war. »Ich hab den ganzen Mund voller Krümel.«
»Das ist bloß Dekor-Sand. Mir ist gestern Abend beim Ausräumen eine Packung geplatzt, aber keine Angst, der ist nicht giftig, er sieht nur so aus.«
Auch Katja schien auf dem Boden gelandet zu sein, jedenfalls zog sie sich an mir hoch. »Ein Glück, dass mein Kuchen vorne bei Hannes steht.« Und dann, eine halbe Oktave höher: »Hoffentlich steht er wirklich noch!«
»Das werden wir gleich sehen!« Der Wagen hielt, der Motor wurde abgestellt, Stimmen waren zu hören, wir hatten es tatsächlich geschafft! Aber weshalb machte Hannes die Tür nicht auf?
Die Stimmen wurden lauter, blieben jedoch unverständlich, und dann endlich ging langsam die Klappe herunter. Davor stand Jörg, leicht gerötet und eskortiert von zwei jungen Männern, die die Einfahrt zum improvisierten Parkplatz mit einem Holzbalken versperrten.
»Die wollen uns nicht reinlassen!«, meldete Hannes.
»Natürlich nicht«, ereiferte sich Jörg, »ich habe doch schon so etwas Ähnliches geahnt. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass ihr euren ganzen Müll abladet, wir haben bloß zwei ganz normale Tonnen aufgestellt, die sind schon fast voll…
»Entweder lässt du uns durch, oder ich kippe dir den ganzen Kram hier vor die Füße! Dann allerdings hast du mich zum letzten Mal gesehen.«
Während Jörg noch überlegte, ob diese Drohung tatsächlich ernst gemeint war, sprang Tom vom Wagen. »Nu’ mach mal nich so’n Hermann, die gucken doch schon alle her. Wenn du uns nicht reinlässt, kriegst du’n Problem. Oder wie willst du der Vollversammlung da oben verklickern, dass du keinen Funken Humor hast? Und falls es dich beruhigt: Wir helfen morgen auch mit, das Zeug wieder abzukarren.«
Diese Zusage musste wohl den Ausschlag gegeben haben! Jörg machte zwar gute Miene zum bösen Spiel, aber fröhlich sah er nicht gerade aus, als er mit Hilfe seiner beiden Begleiter den Balken zur Seite schob. Hannes kletterte auf seinen Bock, die Klappe ging zu, wir saßen wieder im Dunklen und mussten warten, bis er, ständig rückwärts fahrend, den Wagen in die richtige Position gebracht hatte.
Was uns jetzt erwartete, wussten wir, nämlich viele neugierige Gesichter, dagegen hatten die schon zahlreich versammelten Gäste keine Ahnung, was passieren würde. Sie hatten den Lkw gesehen, aber nur von vorne, hatten den Disput zwischen Jörg und Hannes mitgekriegt ohne zu wissen, worum es ging, und nun harrten sie der Dinge, die da kommen sollten.
»Wir stellen uns erst mal ganz nach hinten, da sieht man uns nicht so schnell«, kommandierte Steffi, »jeder greift sich ein Wurfgeschoss, und sobald die Rampe waagerecht steht, kommen wir nach vorne und legen los!«
Die Aktion wurde ein voller Erfolg! Unter den
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