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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sollte man zu diesem Zeitpunkt nicht nur angezogen sein, sondern aus nahe liegenden Gründen schon eine Kanne nachtschwarzen Kaffee parat haben, Mineralwasser, Aspirin und – es gibt Leute, die kriegen so was runter! – ein gehaltvolles Frühstück auf der Grundlage von Rührei und Rollmops. Sonntagsbrötchen vom Bäcker gab’s seinerzeit noch nicht, höchstens welche von der Tankstelle, nur wohnen wir bekanntlich in einem ländlichen Bereich, wo uns Segnungen des erweiterten Kundendienstes frühestens zwei Jahre später erreichen. Auch heute noch gehen samstags Punkt zwölf Uhr dreißig in den hiesigen Geschäften die Lichter aus.
    Ob und wann die Spätheimkehrer nach Hause gekommen waren, wusste ich nicht, ich hatte nichts gehört und nichts gesehen, aber der Haustürschlüssel hatte vorhin nicht mehr unter dem japanischen Pfingstrosenbusch gelegen. (Für etwaig Interessierte: Die Pfingstrose ist voriges Jahr eingegangen, es gibt jetzt ein anderes Versteck!)
    Gegen halb zwölf hörte ich im Bad die ersten Anzeichen aktiven Lebens: Hannes fluchte über unsere Dusche, die mit seiner gemauerten Da-könnte-man-ohne-Probleme-eine-Kuhdrin-abbrausen-Anlage natürlich nicht mithalten kann. Bei uns muss man sich, um überall nass zu werden, gelegentlich mal bewegen, bei ihm kann man einfach stehen bleiben, da kommt das Wasser von allen Seiten.
    Nachdem das Rauschen aufgehört hatte, gab ich noch fünf Minuten zu, dann stieg ich mit einem Becher Kaffee nach oben, klopfte, bekam als Antwort ein zustimmendes Grunzen und trat ein.
    Hannes stand mit Rolfs Rasierapparat vor dem Waschbecken und besah sich im Spiegel. »Wer bist du?« Er kniff ein Auge zusammen und beäugte sich mit dem anderen. »Na egal, ich kenne dich nicht, aber ich rasiere dich trotzdem!«
    »Guten Morgen. Hier ist Kaffee, erst vor zwei Stunden frisch gebrüht. Oder willst du lieber ein Alka Selzer?«
    »Ich will mein Bett!«, knurrte er, vorsichtig den Rasierapparat ansetzend.
    »Dann geh doch wieder rein!«
    »Mache ich sofort, wenn du den Lkw zurückholst.«
    Aha, da also lag der Hund begraben! »Kein Problem! Es sei denn, du legst Wert auf den unversehrten Zustand des Wagens, denn dafür kann ich nicht garantieren.«
    Wir einigten uns darauf, dass ich ihm zwei Spiegeleier braten würde, während er sich fertig anziehen wollte. »Welches Pferd hat mich eigentlich getreten, bevor ich Jörg versprochen habe, bei seiner Müllabfuhr zu helfen?«
    Als er sich wenig später an den Tisch setzte, zog ich gerade die zwei Brotscheiben aus dem Toaster und legte sie neben seinen Teller. »Na also, du siehst ja langsam wieder aus wie’n Mensch.«
    »Ich fühle mich aber trotzdem nicht so.« Sein Appetit schien jedoch nicht betroffen zu sein. Weil die Eier zu trocken waren, brauchte er noch ein bisschen Schinken dazu, nebst zwei Tomaten wegen der Base (nein, nicht die Verwandte, sondern das verdauungsfördernde Frischfutter), und hinterher ein kleines Joghurt. Er hatte sich gerade eine Zigarette angesteckt, als Sven die Treppe herunterkam. »Mir geht’s gar nicht gut.«
    »Dann empfehle ich Orangen, Kiwi, Rum und hundert Gramm rote Beete.«
    »Das soll was nützen?«
    »Nee, sieht aber hübsch aus, wenn’s wieder rauskommt.«
    Könnten Blicke töten, dann hätte Hannes diesen Vormittag nicht überlebt!
    Es ist mir an jenem Sonntag leider nicht gelungen, alle Sippenmitglieder noch einmal zusammen zu bringen. Die einzelnen Aussagen, wer mit wem und vor allem wo den Rest der Nacht beziehungsweise die frühen Morgenstunden verbracht hatte, widersprachen sich in wesentlichen Punkten.
    Nicki und Jörg hatten zusammen mit den letzten Gästen das Zelt verlassen und waren brav nach Hause gegangen. Haben sie jedenfalls gesagt, und diese Aussage wurde auch von niemandem bezweifelt. Ein paar Unentwegte, darunter Hannes, Stefanie, Anne und Eddie, hatten sich auf die vergebliche Suche nach einer noch geöffneten Kneipe gemacht (morgens um drei Uhr! Hier bei uns!! Hahaha!!!) und dann beschlossen, die deutsch-amerikanischen Whiskybestände zu dezimieren, angeblich original Old Kentucky mit noch was hinten dran, very old and very strongly. Dazu war es zum Glück nicht gekommen, denn die viele frische Luft hatte wohl einigen zu schaffen gemacht. Also hatte man sich unter Mitnahme von Rolfs Hinweisschild (samt Pfahl!) am Wirtschaftsweg getrennt und war in verschiedenen Richtungen weitergegangen. Dass Eddie den Wegweiser in Höhe des Friedhofs mit Blickrichtung Urnengräber wieder

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