Menschenskinder
fein gemacht für den Rosenball im Kurhaus, war unbemerkt hinzugekommen. Sie hatte Steffi nicht bemerkt, Hannes kannte sie wohl gar nicht, und die inzwischen von Karen auf dem Gehweg aufgereihten Töpfe ließen keinen anderen Schluss zu. »Ich suche nämlich noch einen Benjamini, er darf nur nicht zu groß sein.«
Über ihren Irrtum aufgeklärt, entschuldigte sie sich sogar.
»Ich habe nur das Wort Floristik auf dem Wagen gelesen und diesen Begriff wohl zu weit ausgelegt.« Den gelben Übertopf nahm sie aber gerne, wollte ihn auch gleich bezahlen und ließ erst davon ab, nachdem ich sie über Sinn und Zweck des ganzen Auftriebs informiert hatte. »Ach, ich wusste gar nicht dass Ihre Nicole nun auch schon heiratet.«
Von wegen ›schon‹! Noch vor zwei Generationen hätte sie mit ihren 29 Jahren das Haltbarkeitsdatum für eine Ehe bereits überschritten gehabt! »Können Sie ja nicht, Frau Wallner, das steht erst nächste Woche im Blättchen.« Jedenfalls hatte ich das vorgehabt, nur war in zwei Tagen Redaktionsschluss, und der Herr Werbeberater brütete noch immer über einem originellen Text für die Anzeige.
Bevor sich noch mehr Interessenten für den vermeintliche Straßenverkauf einfinden würden, machte Hannes den Laden wieder dicht, und mit dem Hinweis, Punkt zwanzig Uhr sei Abfahrt, verteilten wir uns auf unsere Häuser.
»Was ziehst du an?«, wollte Steffi als erstes wissen und als zweites, ob sie selber ›denn so gehen‹ könne?
Ich bestätigte Letzteres, denn Jeans, Hemdbluse und Weste erschienen mir durchaus passend, und für Ersteres deutete ich auf die in der Garderobe hängenden Sachen.
»Du solltest noch mal mit dem Bügeleisen drüberfahren empfahl meine Tochter.
So kam es, dass ich eine halbe Stunde später in sandfarbenen Hosen, hellblauer Seidenbluse und passender Jacke zur Endabnahme erschien und mir später ausgesprochen dämlich vorkam, weil die anderen Gäste fast alle Jeans trugen, außer mir natürlich – ich war die Einzige mit Bügelfalten.
Als wir schon gar nicht mehr mit ihnen gerechnet hatten, kamen Tom und Katja. »Erst war der Autoschlüssel weg, dann konnte ich den Geldbeutel nicht finden, und als wir schon beinahe unten in Schriesheim waren, ist mir eingefallen, dass der Kuchen noch im Kühlschrank steht. Dabei habe ich zum ersten Mal eine Käsetorte hingekriegt, die nicht in der Mitte zusammengeklatscht ist.« Sie stellte das Prachtstück zur Begutachtung auf den Küchentisch.
»Sieht wirklich gut aus. Aber nun mal was anderes: Wie hieß Herr Alzheimer mit Vornamen?«
Verblüfft sah sie mich an. »Warum? Alfred, glaube ich, oder Albert? Jedenfalls war’s vorne was mit A.«
»Abis! Haste auch schon wieder vergessen, oder? Vielleicht solltest du dich mal ein bisschen näher mit der nach ihm benannten präsenilen Demenz befassen.« Nachdem ich unlängst mit Katja zusammen eine halbe Stunde lang meine Sonnenbrille gesucht und endlich – eigentlich nahe liegend im Auto wieder gefunden hatte, ist sie der Ansicht, mein Gedächtnis lasse doch sehr zu wünschen übrig. Stimmt, aber als ich 29 war, ist es noch hervorragend gewesen …
Hannes mahnte zum Aufbruch. »Wer kommt denn nun mit?«
Es waren weniger als erwartet. Rolf hatte sich ausgeklinkt und war mit der Bemerkung, er wolle sich das Kasperltheater lieber ansehen als dabei mitwirken, schon vor einer ganzen Weile gegangen, und Sven war seit Stunden nicht mehr aufgetaucht. Wahrscheinlich wieselte er oben durchs Festzelt und filmte vom Aufbau der Salatschüsseln bis zum Entzünden der Grillfeuer sämtliche Tätigkeiten, die vor Beginn eines derartigen Spektakels nun mal nötig sind. So waren wir nur sieben, die zu Dunkelhaft verurteilt und von Hannes eingeschlossen wurden, nicht ohne vorher informiert zu werden, dass uns die vorne links befestigten Gerätschaften im Notfall eine Selbstbefreiung ermöglichen würden. Dabei handelte es sich um eine Art Henkersbeil sowie um eine Drahtschere von der Größe eines Vorschlaghammers; vermutlich könnte man sie auch dazu verwenden.
Ein als Verkaufswagen konzipierter Lkw hat naturgemäß keine Verbindung mehr zum Führerhaus, und so klammerten wir uns haltesuchend an den Regalen fest, während Hannes langsam um die erste Ecke schaukelte. Ohne Sicht nach draußen wussten wir natürlich nicht, wann die nächste Kurve oder die nächste Vollbremsung kommen würden, deshalb blieb es auch nicht aus, dass doch mal jemand im falschen Moment auf dem falschen Bein stand und irgendwo
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