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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Minuten Zeit hätte. »Ich möchte dich gern mit meinen Kollegen bekannt machen.«
    Na gut, lieber jetzt als später, dann hatte ich es hinter mir, dabei war es halb so schlimm. Alle waren sie sehr nett, häuften imaginäre Lorbeeren auf mein Haupt, stellten die üblichen Fragen, die ich inzwischen sehr routiniert beantworten kann, und nachdem ich dem Herrn Rektor auch noch versichert hatte, dass sich meine Tochter in seiner Schule ausnehmend wohl fühle, was sogar den Tatsachen entspricht, durfte ich wieder an unseren Tisch zurückkehren. Der war allerdings leer. Bis auf mein Weinglas, da hatte jemand noch die Hälfte drin gelassen. Ich trank es aus und machte mich auf die Suche.
    Hinterm Tresen, wo Sven unermüdlich Bier zapfte, entdeckte ich Steffi in lebhaftem Gespräch mit der jungen Chefin des unlängst eröffneten Blumengeschäfts. Man kannte sich aus jener Zeit, als man noch gemeinsam Staffellauf trainiert hatte. Hannes stand daneben mit der Miene eines Katers, der vorm Mauseloch auf Beute wartet. Nicht umsonst, denn nach Schluss der Veranstaltung hatte sich eine neue Geschäftsbeziehung ergeben.
    Katja saß drei Tische weiter und beguckte Fotos. Daniel war tatsächlich Pilot geworden, hatte eine Amerikanerin geheiratet und vor zwei Monaten einen Sohn gekriegt – alles Neuigkeiten, die ich erst am nächsten Tag erfuhr.
    In Sichtweite der Toiletten entdeckte ich meinen Ehemann in Gesellschaft zweier mir unbekannter Herren, die sich unter dem Schild
Bitte nicht rauchen
gegenseitig Feuer für ihre Zigaretten gaben. Drei Schritte weiter rechts hätten sie sogar offiziell wieder gedurft. Da wäre auch die Luft besser gewesen.
    Meine beiden Nachbarinnen waren überhaupt nicht zu sehen, ihre Männer umso mehr. Sie standen an der Theke und ließen sich volllaufen. Sven servierte ihnen bereits Bierschorle.
    Vorbildlich das Brautpaar, inzwischen etwas geschafft aussehend, doch unermüdlich um seine Gäste bemüht und auch gewillt, die nicht immer taktvollen Geschenke lustig zu finden. Über die zwei Nudelhölzer, ausdrücklich Nicki zugedacht, konnte Jörg trotzdem nicht lachen, während Nicole das Töpfchen mit dran gebundenem Schnuller nicht so komisch fand. Aber es gab ja auch Nützliches, Tortenplatten zum Beispiel, ich glaube, es waren insgesamt vier Stück, einen elektrischen Büchsenöffner, der noch am selben Abend bei einer Milchdose seinen Geist aufgab, und dann natürlich jede Menge Gedrucktes, angefangen von Dr. Oetkers Schulkochbuch bis zu den wirksamen Rezepten zum Abnehmen. Als ob ausgerechnet die zwei das nötig hätten!
    Allgemeinen Beifall (nur nicht von Nicki) bekam das Geschenk ihrer Vermieterin, nämlich ein Spatzendrücker. Nordlichter und alle Leser, die nicht den Vorzug genießen, im Schwabenland zu wohnen, mögen sich wieder beruhigen! Es handelt sich weder um ein Foltergerät für Singvögel noch um eine neue Form von ›Ausstecherles‹. Engel und Sterne sind bei Weihnachtsplätzchen ja out, ich hatte im letzten Jahr Förmchen für eine Lokomotive dabei, einen Regenschirm, Kreuz, Pik, Herz, Karo vom Kartenspiel und ein unbekanntes rundes Tier, das ich mit gestiftelten Mandeln spickte und zum Igel ernannte. Nein, ein Spatzendrücker ist ein Küchengerät, ohne dessen perfekte Handhabung angeblich kein echtes Schwabenmädel heiraten darf, obwohl es doch nur ein früher verpöntes, inzwischen jedoch toleriertes Hilfsmittel ist. Die richtige schwäbische Hausfrau schabt ihre Spätzle traditionell selber, was nicht nur Zeit raubend ist, sondern meistens auch eine ziemliche Schweinerei. Der Teig besteht nämlich lediglich aus Mehl und Eiern (bei der Konzipierung dieses Rezepts hatte es das Wort Cholesterin wohl noch nicht gegeben; die gesundheitsbewusstere Variante lässt jedoch auch ein Teil Wasser zu), dann kommt die zusammengerührte, sehr flüssige Pampe auf ein großes Brett und muss nun mittels eines Teigschabers möglichst schnell in einen Topf mit kochendem Salzwasser ›geschabt‹ werden. Klingt einfach, ist es aber nicht! Ist man nicht schnell genug, läuft der Teig rechts und links vom Brett runter und landet entweder auf dem Boden oder auf dem heißen Herd, wo er sofort einbrennt. Brillenträger sind von vornherein benachteiligt, weil sie nichts mehr sehen, Mütter mit großer Familie sind’s auch, denn sie brauchen mehr Teig, müssen also viel öfter mit der Suppenkelle Nachschub auf das Brett baggern. Ist endlich die letzte Ladung fertig geschabt, sind die ersten Spätzle schon gar

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