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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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tun?«
    »Ausziehen!«, sagte Gisela.
    »Alles?«
    »Alles!«
    Erst steht man hüllenlos mit leicht gespreizten Beinen und von sich gestreckten Armen da und wird von Kopf bis Fuß mit Orangen-Öl eingesalbt. Dann muss man strammstehen und die Arme seitwärts an den Körper legen, weil man jetzt in Folie gewickelt wird. Das fängt bei den Waden an und hört erst am Hals auf. Zum Schluss sieht man aus wie eine durchsichtige Mumie, kann sich kaum bewegen und muss wegen der Trippelschrittchen vorsichtig zur Liege geführt werden. Dort kippt man ab, wird in die richtige Lage gebracht, bis obenhin zugedeckt und darf nun dreißig Minuten lang im eigenen Saft schmoren.
    Steffi hatte die ganze Prozedur erst schweigend, dann zunehmend feixend und schließlich laut lachend verfolgt. »Du müsstest dich jetzt im Spiegel sehen können, Määm«, gluckste sie, als ich schon halb eingewickelt dastand, »wie ein Stück Schlachtvieh, fertig eingeschweißt für die Tiefkühltruhe!«
    »Es hat schon seinen Grund, dass hier kein Spiegel hängt«, sagte Gisela, »sonst würden die wenigsten zur zweiten und dritten Behandlung wieder kommen.«
    Nachdem auch Stefanie eingewickelt und in Wolldecken verpackt auf ihrer Liege geparkt worden war, dimmte Gisela das Licht auf späte Dämmerung herunter und wünschte uns angenehme Ruhe. »In einer halben Stunde wecke ich Sie wieder auf.«
    »Aber was ist, wenn was ist«, protestierte Steffi, »wir können uns doch überhaupt nicht bewegen.«
    »Laut rufen!«, war die lakonische Antwort, »Sie sind ja nicht allein hier unten.« Wohl aus gutem Grund gab es keine Tür zur Grabkammer, nur einen kleinen Vorraum, der zum Gang hin mit einem Vorhang abgeteilt war; gleich gegenüber befanden sich die Kosmetikkabinen.
    »Wie fühlst du dich denn?«
    »Wie ein Schweinebraten in der Röhre.« Das war nicht übertrieben. Immerhin schwitzte ich schon etwas länger als Stefanie unter meiner Decke, und die Vorstellung, noch mindestens zwanzig Minuten bewegungslos vor mich hindampfen zu müssen, fand ich wenig verlockend. »Meinst du nicht, dass wir in der richtigen Sauna den gleichen Erfolg haben würden?«
    »Nein.« Und dann, nach kurzem Zögern: »Wir haben doch selber eine zu Hause, benutzen sie auch regelmäßig, aber abgenommen habe ich davon noch nie.«
    »Vielleicht liegt es daran, dass gleich um die Ecke der Kühlschrank steht.«
    Sie schwieg beleidigt. Aber nicht lange. »Stell dir mal vor, es würde jetzt dauernd eine Fliege um deinen Kopf schwirren, und du könntest sie nicht vertreiben.«
    »In Grabkammern gibt es keine Fliegen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weiß ich ja nicht, ich nehme es bloß an. Es gab in den Pyramiden doch so viele Gänge bis zum eigentlichen Pharaonengrab, dass jede normale Fliege auf dem Weg dahin entweder krepiert wäre oder noch rechtzeitig aufgegeben hätte und umgekehrt ist.« Es ist schon merkwürdig, über welchen Blödsinn man sich den Kopf zerbricht, wenn man mehr oder weniger bewegungslos daliegt und darauf wartet, aus dieser hilflosen Lage befreit zu werden. Als Gisela endlich kam, war Steffi eingeschlafen und ich kurz davor. »Sie haben uns doch mindestens eine Stunde lang hier schmoren lassen!«
    »Genau zweiunddreißig Minuten«, sagte Gisela, hievte mich aus der Horizontalen in die Senkrechte und schnitt meine Fußfesseln auf, damit ich wenigstens wieder laufen konnte. Der Rest ging schnell. Entgegen meiner Befürchtung wurde ich nicht langsam ausgewickelt, wie es mit Mumien normalerweise geschieht, sondern aus meinem Folien-Kokon rausgeschnitten. So ähnlich müssen sich früher die Herren Ritter gefühlt haben, wenn ihre Knappen sie aus den engen Rüstungen geschält hatten.
    »Darf ich jetzt duschen?«
    Ich durfte und fühlte mich hinterher ausgesprochen wohl. Im Bewusstsein, wieder etwas für mein gutes Aussehen getan zu haben, goss ich mir ein Glas Kräutertee ein, bevor ich mich im Kaminzimmer zu den anderen gesellte.
    »Na, wie war’s?«, wollte Lilo wissen, die erst schwer mit sich gekämpft hatte und dann doch bei den vier M geblieben war. »Hat’s was gebracht?«
    »Weiß ich nicht, da unten gibt es ja keine Waagen. Die Stunde der Wahrheit kommt doch erst am Samstag.«
    »Also ich habe mindestens zwei Zentimeter Taillenweite verloren«, brüllte Steffi schon an der Tür, »meine Jogginghose sitzt längst nicht mehr so eng.«
    »Hat die nicht Gummizug?«, vergewisserte ich mich.
    »Und wenn schon. Man merkt doch sofort, wenn sich da was geändert

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